„Die Welt von morgen: Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde“ von Robert Menasse ist eine engagierte und kritische Auseinandersetzung mit der Zukunft Europas, besonders im Hinblick auf die bevorstehenden Herausforderungen und die Bedeutung der europäischen Idee. Menasse, ein überzeugter Europäer, macht in seinem Buch deutlich, warum es für Europa keine Alternative gibt, als weiter zusammenzuwachsen und eine echte, nachnationale Demokratie zu entwickeln. Er argumentiert, dass nur ein vereintes Europa in der Lage sein wird, den Gefahren des Nationalismus und den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen.
Menasse erinnert daran, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg eine zweite Chance erhalten hat, sich zu einer friedlichen Gemeinschaft zu entwickeln. Vor 1914 war Europa durch einen kosmopolitischen Geist geprägt, wie Stefan Zweig in „Die Welt von Gestern“ beschreibt. Doch dieses Europa wurde durch den Ersten Weltkrieg und den aufkommenden Nationalismus zerstört. Nach 1945 wurde durch visionäre Denker und Politiker ein neues Europa aufgebaut, das auf Kooperation statt auf Konkurrenz zwischen den Staaten setzt. Menasse betont, dass dieses Friedensprojekt einzigartig in der Geschichte ist und es verdient, verteidigt und weitergeführt zu werden.
Das zentrale Anliegen des Buches ist es, die Notwendigkeit eines vereinten Europa in den Vordergrund zu stellen. Menasse sieht in der Idee der Nationalstaaten ein überholtes Konzept, das in einer globalisierten Welt nicht mehr funktioniert. Er argumentiert, dass der Nationalismus, der sich in vielen Teilen Europas wieder bemerkbar macht, eine Gefahr für den Frieden und die Stabilität auf dem Kontinent darstellt. Anstatt in alte Muster zurückzufallen, plädiert Menasse für eine stärkere europäische Integration, bei der nationale Interessen zugunsten eines gemeinsamen europäischen Ziels in den Hintergrund treten.
Menasse geht jedoch über bloße Verteidigung hinaus und lädt auch zur kritischen Reflexion über die bestehenden Widersprüche und Schwächen der Europäischen Union ein. Er erkennt an, dass die EU in ihrer jetzigen Form nicht perfekt ist und dass es systemische Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Diese Probleme sieht er jedoch nicht als Grund, die europäische Idee aufzugeben, sondern vielmehr als Ansporn, die Union weiterzuentwickeln und zu reformieren. Menasse fordert, dass Europa die Widersprüche in seinem System überwindet und sich zu einer echten, nachnationalen Demokratie entwickelt, in der die Bürger und nicht die Staaten im Mittelpunkt stehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Buches ist die Auseinandersetzung mit den Feinden eines vereinten Europas. Menasse macht deutlich, dass diese Feinde sowohl von außen als auch von innen kommen. Von außen bedrohen geopolitische Kräfte, die ein schwaches und gespaltenes Europa bevorzugen, die Einheit des Kontinents. Von innen sind es populistische Bewegungen und nationalistische Strömungen, die versuchen, die europäische Idee zu untergraben und die Menschen zurück in die engen Grenzen der Nationalstaaten zu drängen. Menasse warnt eindringlich vor diesen Entwicklungen und fordert die Leser auf, sich aktiv für ein starkes und vereintes Europa einzusetzen.
Menasses Streitschrift ist nicht nur eine theoretische Abhandlung, sondern auch ein leidenschaftlicher Appell an die Vernunft und an das Verantwortungsbewusstsein der europäischen Bürger. Er zeigt, dass die Alternative, vor der Europa steht, nicht kompliziert ist: Entweder gelingt der Aufbau einer nachnationalen Demokratie, die in der Lage ist, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, oder Europa droht ein Rückfall in die nationalen Egoismen, die bereits in der Vergangenheit zu verheerenden Konflikten geführt haben. Für Menasse wäre dies eine Niederlage der Vernunft, mit gefährlichen Konsequenzen für den Frieden und die Stabilität auf dem Kontinent.
Das Buch ist besonders relevant im Kontext der Europawahlen, da es die Wähler dazu aufruft, über die Zukunft Europas nachzudenken und sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden. Menasse möchte, dass die Leser verstehen, dass die europäische Integration kein abgeschlossenes Projekt ist, sondern ein fortlaufender Prozess, der ständig weiterentwickelt werden muss. Er fordert ein Europa, das sich seiner Stärken bewusst ist und das die Herausforderungen der Globalisierung aktiv angeht, anstatt sie zu ignorieren.
Zusammenfassend ist „Die Welt von morgen“ ein kraftvolles Plädoyer für ein vereintes Europa und ein Aufruf, die europäische Idee weiterzuführen und zu stärken. Robert Menasse zeigt eindrucksvoll, warum Europa in einer globalisierten Welt nur dann eine Zukunft hat, wenn es als starke, nachnationale Gemeinschaft auftritt. Das Buch ist eine wichtige Lektüre für alle, die sich für die Zukunft Europas interessieren und die daran glauben, dass die europäische Idee trotz aller Herausforderungen und Kritik weiterhin von großer Bedeutung ist. Menasse ermutigt seine Leser, sich für dieses Projekt einzusetzen und nicht denjenigen das Feld zu überlassen, die Europa spalten und zurück in die Vergangenheit führen wollen.
- Herausgeber : Suhrkamp Verlag; 3. Edition (15. April 2024)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 192 Seitend
- ISBN-10 : 351843165X
- ISBN-13 : 978-3518431658
- Abmessungen : 14.4 x 1.9 x 22 cm
- 355 Gramm
- 23 Euro