In ihrem Buch „Unser soziales Gehirn: Warum wir mehr Miteinander brauchen“ erklärt die Neurobiologin Dr. Nicole Strüber, wie wichtig soziale Beziehungen für unser körperliches und psychisches Wohlbefinden sind. Sie zeigt, dass unser Gehirn auf soziale Interaktionen angewiesen ist, um gesund zu funktionieren. Doch in unserer modernen Welt kommt das Miteinander oft zu kurz, was negative Folgen für unsere Gesundheit hat.
Strüber beschreibt, wie unser Alltag zunehmend von Effizienz und Schnelligkeit bestimmt wird. In vielen Bereichen des Lebens bleibt immer weniger Raum für echten Austausch und Nähe zu anderen Menschen. Ob im Familienleben, im Beruf oder im Gesundheitswesen – persönliche Begegnungen werden oft durch schnelle, digitale Kommunikation oder durch zeitlich begrenzte Kontakte ersetzt. Beispiele dafür sind WhatsApp-Nachrichten anstelle eines persönlichen Besuchs, Videokonferenzen statt Besprechungen im gleichen Raum oder kurze Arzttermine, die kaum Zeit für ein tieferes Gespräch lassen.
Diese Entwicklung hat laut Strüber weitreichende Folgen. Unser Gehirn braucht den direkten Kontakt zu anderen Menschen, um sich zu synchronisieren und auf einer emotionalen Ebene mit anderen verbunden zu sein. Dieser Prozess der Synchronisation ist wichtig, weil dabei Botenstoffe wie Oxytocin ausgeschüttet werden. Oxytocin, oft als „Bindungshormon“ bezeichnet, spielt eine zentrale Rolle für unser Wohlbefinden. Es fördert Entspannung, senkt Stress und stärkt das Vertrauen in andere Menschen. Durch regelmäßigen sozialen Austausch können wir außerdem unsere Empathie, also die Fähigkeit, die Gefühle und Perspektiven anderer zu verstehen, steigern. Auch unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Veränderung wird durch diese Interaktionen gefördert.
Wenn wir zu wenig sozialen Kontakt haben, leidet nicht nur unsere psychische Gesundheit, sondern auch unser Körper. Stress nimmt zu, und das Risiko für Krankheiten steigt. Strüber macht deutlich, dass die zunehmende Isolation und die reduzierte Zeit für zwischenmenschliche Begegnungen langfristig schädlich sind. Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, im Austausch mit anderen zu arbeiten. Ohne diesen Austausch fehlt es uns an wichtigen emotionalen und körperlichen Ressourcen, die uns helfen, gesund und ausgeglichen zu bleiben.
Ein zentrales Thema des Buches ist das Konzept des „Synchronisierens“. Damit meint Strüber, dass wir uns im Kontakt mit anderen Menschen auf sie einstellen. Unsere Gehirnaktivität passt sich unbewusst an unser Gegenüber an, wodurch ein Gefühl der Verbundenheit und des Verstehens entsteht. Dieser Prozess der Synchronisation stärkt die Beziehungen zu anderen Menschen und fördert kooperatives Verhalten. Das bedeutet, je mehr Zeit wir mit anderen verbringen und je intensiver diese Interaktionen sind, desto besser funktioniert unser Gehirn in sozialen Kontexten.
Strüber führt zahlreiche Beispiele an, um zu verdeutlichen, wie der Mangel an echtem Miteinander in der heutigen Gesellschaft problematisch ist. In überfüllten Kindergartengruppen erhalten Kinder nicht genügend individuelle Aufmerksamkeit, was sich negativ auf ihre soziale und emotionale Entwicklung auswirkt. Im Familienleben stehen oft Effizienz und Zeitmangel im Vordergrund, sodass wenig Raum für echte, tiefere Verbindungen bleibt. Auch in der Arbeitswelt und im Gesundheitswesen wird das Miteinander oft vernachlässigt. Kurze Arzttermine oder Pflegebehandlungen mit Zeitdruck lassen kaum Platz für menschliche Nähe und Empathie.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, fordert Strüber ein gesellschaftliches und politisches Umdenken. Sie plädiert dafür, dass soziale Interaktionen wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden müssen. Sowohl in der Erziehung als auch in der Arbeitswelt und im Gesundheitssystem sollten wir den Menschen und das Miteinander wieder stärker berücksichtigen. Es brauche gezielte Maßnahmen, um den Raum für persönliche Begegnungen und echte Beziehungen zu schaffen und zu fördern.
Das Buch verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft mit konkreten Beobachtungen aus dem Alltag. Strüber zeigt, wie unser Gehirn funktioniert und warum es auf sozialen Kontakt angewiesen ist. Gleichzeitig beschreibt sie, wie sich unsere moderne Gesellschaft immer weiter von diesen wichtigen sozialen Strukturen entfernt und welche Risiken das für unsere Gesundheit mit sich bringt.
Dr. Nicole Strüber legt in ihrem Buch eindrucksvoll dar, dass unser soziales Gehirn nicht darauf ausgelegt ist, isoliert zu arbeiten. Wir sind auf den Kontakt mit anderen Menschen angewiesen, um uns psychisch und körperlich wohlzufühlen. Die Zunahme von digitaler Kommunikation und das Streben nach Effizienz im Alltag bedrohen diesen wichtigen Austausch. Strüber fordert daher, dass wir uns wieder bewusst mehr Zeit für soziale Beziehungen nehmen und diese aktiv pflegen müssen, um langfristig gesund zu bleiben.
Zusammengefasst ist „Unser soziales Gehirn“ eine eindringliche Aufforderung, dem Miteinander wieder mehr Raum zu geben. Die Autorin verknüpft neueste Erkenntnisse der Neurowissenschaft mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und macht deutlich, dass soziale Nähe und echte menschliche Interaktionen unerlässlich für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sind.
Dr. Nicole Strüber bietet in „Unser soziales Gehirn“ faszinierende Einblicke in die Bedeutung sozialer Beziehungen für unser Wohlbefinden. Sie zeigt, wie unser Gehirn auf menschliche Nähe angewiesen ist, um gesund zu funktionieren. Ein wichtiger Weckruf, der die negativen Folgen zunehmender Isolation verdeutlicht.
- Herausgeber : Klett-Cotta; 1. Auflage 2024 (7. September 2024)
- Sprache : Deutsch
- Broschiert : 384 Seiten
- ISBN-10 : 3608966218
- ISBN-13 : 978-3608966213
- Abmessungen : 12.6 x 3.2 x 20.8 cm
- 428 Gramm
- 20 Euro