/ Oktober 31, 2024/ Buch

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„Suche liebevollen Menschen: Mein Vater, sieben Kinder, und ihre Flucht vor dem Holocaust“ ist ein ergreifendes Buch von Julian Borger, das eine bewegende und zugleich schockierende Geschichte erzählt. Im Zentrum steht ein dunkles Kapitel der Geschichte und die Kraft der menschlichen Verbundenheit in extremen Zeiten.

Die Ausgangssituation: Wien 1938
Das Buch beginnt in Wien zur Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus. Im Jahr 1938, als die Nazis immer mehr Macht gewinnen und die Judenverfolgung intensiver wird, stehen viele jüdische Familien vor einer schrecklichen Entscheidung: Um ihre Kinder vor der drohenden Gewalt und Verfolgung zu schützen, müssen sie sie weggeben und in andere Länder schicken. Die Situation ist so verzweifelt, dass Eltern Kleinanzeigen in ausländischen Zeitungen wie dem „Manchester Guardian“ aufgeben. In diesen Anzeigen bitten sie unbekannte, „liebevolle Menschen“ darum, ihre Kinder aufzunehmen und ihnen Sicherheit zu geben. Sie wissen, dass sie ihre Kinder wahrscheinlich niemals wiedersehen werden.

Der Ausgangspunkt der Geschichte
Jahrzehnte später entdeckt der britische Journalist Julian Borger, der für renommierte Medien arbeitet, eine solche Anzeige. Darin erkennt er den Namen seines eigenen Vaters, Robert Borger, und begreift, dass dieser als jüdisches Kind aus Österreich fliehen musste, um dem Holocaust zu entkommen. Diese Entdeckung wird für Julian Borger zum Auslöser für eine intensive Spurensuche: Er will herausfinden, was genau mit seinem Vater und den anderen Kindern geschehen ist, die ebenfalls durch die Anzeigen von ihren Familien getrennt wurden. Dabei stößt er auf zahlreiche Spuren und Geschichten, die das Leben dieser Kinder bis ins Detail verfolgen und den Leser tief bewegen.

Die Reise in die Vergangenheit
Im Verlauf seiner Nachforschungen stößt Borger auf insgesamt sieben weitere Kinder, die auf ähnliche Weise wie sein Vater ihr Zuhause und ihre Familien verlassen mussten. Die Lebenswege dieser Kinder führen den Autor von Wien aus in viele verschiedene Länder und zu ganz unterschiedlichen Schicksalen. Einige von ihnen konnten überleben, weil sie an sicherere Orte gebracht wurden, wie zum Beispiel ins ferne Shanghai. Andere Kinder fanden Zuflucht bei niederländischen Schmugglern oder kämpften in Frankreich an der Seite der Résistance gegen die deutschen Besatzer. Doch nicht alle dieser Kinder hatten das Glück, dem Holocaust zu entkommen. Manche von ihnen wurden in Konzentrationslager wie Auschwitz deportiert und kamen dort ums Leben.

Die bewegende Geschichte der Kinder
Jedes der Kinder, dessen Geschichte in diesem Buch erzählt wird, hat eine eigene Überlebensgeschichte, die den Leser in das Leben zur Zeit des Zweiten Weltkriegs eintauchen lässt. Die Tragik, dass Eltern ihre Kinder weggeben mussten, ohne zu wissen, ob sie je wieder von ihnen hören würden, ist herzzerreißend. Borger zeichnet die Lebenswege dieser Kinder nach, beschreibt ihre Ängste und Hoffnungen und zeigt, wie sie unter den schwierigsten Umständen versucht haben, ihr Leben zu meistern. Dabei wird deutlich, wie sehr diese frühen Erfahrungen ihr Leben geprägt haben und welche Spuren sie bis heute hinterlassen.

Die Suche nach der eigenen Familiengeschichte
Für Julian Borger wird die Suche nach der Geschichte seines Vaters zu einer Reise in die eigene Familiengeschichte und ein tiefer Einblick in das Schicksal der jüdischen Kinder jener Zeit. Er stellt sich Fragen wie: Wie hat sein Vater diese traumatischen Erlebnisse verarbeitet? Wie hat die Trennung von seiner Familie und die Flucht aus Wien ihn als Menschen geprägt? Borger selbst versteht durch seine Nachforschungen mehr über die Erfahrungen und das Leid seines Vaters, was auch ihm hilft, sein eigenes Leben besser zu begreifen. Gleichzeitig gibt ihm diese Recherche die Möglichkeit, die Stimmen und Erinnerungen jener Kinder zu bewahren, die durch ihre Flucht vor den Nazis ihr Leben retten konnten – aber oft um den Preis, ihre Familien für immer zu verlieren.

Ein Buch über die Schrecken des Holocausts und die Bedeutung des Erinnerns
„Suche liebevollen Menschen“ ist nicht nur eine Familiengeschichte, sondern auch ein Zeugnis der Unmenschlichkeit und der Verzweiflung, die der Holocaust mit sich brachte. Die Geschichten der Kinder sind erschütternd und geben einen tiefen Einblick in das Leiden und die Opfer, die Menschen in dieser Zeit bringen mussten. Julian Borger gelingt es, die individuellen Schicksale so lebendig darzustellen, dass der Leser die Schmerzen und Hoffnungen der Kinder förmlich spüren kann. Doch das Buch ist auch eine Mahnung an die heutigen und zukünftigen Generationen, die Vergangenheit nicht zu vergessen. Es zeigt, wie wichtig es ist, die Geschichten jener, die die Schrecken des Holocausts erlebt haben, festzuhalten und an sie zu erinnern, damit solche Verbrechen nie wieder geschehen.

Fazit
„Suche liebevollen Menschen: Mein Vater, sieben Kinder, und ihre Flucht vor dem Holocaust“ ist ein intensives und bewegendes Buch, das sowohl die menschliche Tragödie des Holocausts als auch die Hoffnung und den Überlebenswillen der Betroffenen aufzeigt. Julian Borger erzählt die Geschichte seines Vaters und der anderen Kinder mit viel Einfühlungsvermögen und Respekt, und er gibt ihnen so ihre Stimme zurück. Für Leser, die sich für Geschichte und menschliche Schicksale interessieren, ist dieses Buch eine eindrucksvolle und bewegende Lektüre. Es erinnert daran, wie wichtig Mitgefühl und Hilfe in Zeiten der Not sind und mahnt, dass solche Verbrechen nie wieder passieren dürfen.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Molden Verlag in Verlagsgruppe Styria GmbH & Co. KG; 1. Edition (20. September 2024)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 308 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3222151318
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3222151316
  • Abmessungen ‏ : ‎ 23.2 x 2.9 x 16.2 cm

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