Alles in allem von Simone de Beauvoir, veröffentlicht 1976 und ins Deutsche übersetzt von Eva Rechel-Mertens, ist ein tiefgründiges und ehrliches Werk, in dem die bekannte Philosophin und Schriftstellerin über ihr Leben in den 1960er Jahren reflektiert und eine persönliche Bilanz zieht. Mit der für sie typischen Offenheit schildert sie ihre Erlebnisse und Gedanken in einer Phase ihres Lebens, in der sie sich zunehmend bewusst wird, dass ihre Möglichkeiten, noch große neue Pläne zu verwirklichen, begrenzt sind. Aus diesem nüchternen Verständnis heraus wirft sie einen intensiven Blick auf die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ihrer Zeit und ihre eigene Rolle darin.
De Beauvoirs Erinnerungen sind geprägt von einem unermüdlichen Kampf gegen gesellschaftliche Tabus und dem Einsatz für Wahrheit und Gerechtigkeit. Ihre Autobiografie ist weit mehr als eine persönliche Lebensgeschichte; sie ist auch ein Stück Zeitgeschichte und ein philosophisches Zeugnis ihrer Überzeugungen. In den 1960er Jahren erlebte die Welt große Veränderungen – von sozialen Umwälzungen über politische Bewegungen bis hin zur aufkommenden Frauenbewegung. De Beauvoir beschreibt, wie sie diese Entwicklungen wahrnahm, welche Herausforderungen sie selbst als Frau und Intellektuelle erlebte und wie sie sich aktiv in die gesellschaftlichen Debatten ihrer Zeit einbrachte.
Simone de Beauvoir wurde am 9. Januar 1908 in Paris geboren und entwickelte früh eine Leidenschaft für Literatur und Philosophie. Sie studierte französische Philologie und Mathematik, bevor sie sich an der renommierten Sorbonne dem Studium der Philosophie widmete. Dort traf sie ihren späteren Lebensgefährten und geistigen Wegbegleiter Jean-Paul Sartre, mit dem sie eine enge persönliche und intellektuelle Beziehung verband, die ihr Leben nachhaltig prägte. Gemeinsam vertraten sie eine Existenzphilosophie, die die individuelle Freiheit und die Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt stellte. Nachdem sie einige Jahre als Lehrerin gearbeitet hatte, zog sie sich schließlich aus dem Schuldienst zurück, um sich ganz dem Schreiben und ihrer intellektuellen Arbeit zu widmen.
Neben ihren literarischen und philosophischen Werken setzte sich de Beauvoir leidenschaftlich für die Frauenbewegung ein. 1971 unterzeichnete sie das berühmte „Manifest der 343“, in dem prominente Frauen in Frankreich öffentlich bekannten, abgetrieben zu haben, um auf das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung aufmerksam zu machen. Dieses Engagement führte schließlich dazu, dass Abtreibung in Frankreich entkriminalisiert wurde. In den 1970er Jahren wurde sie zur Präsidentin einer Partei für Frauenrechte ernannt, doch sie blieb stets unabhängig und lehnte sogar die Ehrenauszeichnung „Légion d’Honneur“ ab, um sich nicht politisch vereinnahmen zu lassen.
In Alles in allem spiegelt sich diese Unabhängigkeit wider. Das Buch zeichnet ein bewegendes Bild einer Frau, die in einer männerdominierten Welt ihren eigenen Weg gegangen ist, die Tabus durchbrochen und für die Rechte der Frauen gekämpft hat. Die Freimütigkeit, mit der sie über ihre inneren Überlegungen und ihre gesellschaftlichen Beobachtungen schreibt, ist eindrucksvoll. Sie zeigt die Zerrissenheit zwischen persönlichen Idealen und den Realitäten einer Gesellschaft, die Veränderungen oft nur zögerlich zulässt.
In diesem Werk offenbart de Beauvoir ihre Zweifel, Ängste und Erfolge. Sie spricht über Freundschaften, über ihre Beziehung zu Sartre und über das Altern, das sie als intellektuelle Herausforderung begreift. Dabei bleibt sie der nüchternen Erkenntnis treu, dass das Leben stets eine Balance zwischen der Freiheit zur Selbstverwirklichung und den Beschränkungen der Realität ist. De Beauvoirs Erinnerungen sind ein wertvolles Dokument, das eine einzigartige Verbindung von philosophischer Reflexion und persönlichem Erleben bietet.
Simone de Beauvoir starb am 14. April 1986 im Alter von 78 Jahren in Paris. Sie wurde neben Sartre auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt, was die dauerhafte Verbindung zwischen den beiden Denkern symbolisiert. Ihr Werk Alles in allem ist ein bleibendes Vermächtnis ihrer intellektuellen Tiefe und ihrer unermüdlichen Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Durch ihre schonungslose Offenheit und ihre Weigerung, sich gesellschaftlichen Normen anzupassen, bleibt sie bis heute eine bedeutende Stimme der Philosophie und der Frauenbewegung.
- Herausgeber : Rowohlt Taschenbuch; 18. Edition (1. Juli 1976)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 480 Seiten
- ISBN-10 : 3499119765
- ISBN-13 : 978-3499119767
- Originaltitel : Tout compte fait
- Abmessungen : 11.5 x 2.42 x 19 cm
- 334 Gramm
- 18 Euro