/ Mai 15, 2025/ Buch

Wenn man denkt, man hätte schon alles gelesen – Serienkiller mit Sammelleidenschaft, Kriminalkommissare mit Whiskeyproblem, Leichen im Kühlfach neben der Lasagne – dann kommt Hedda Anders daher und wirft uns einen Krimi vor die Füße, der so norddeutsch, so skurril und so herzlich ist, dass einem fast der Mettigel vom Tisch fällt.

Willkommen in Sorum, einem Ort, den Google Maps beim ersten Mal aus Trotz nicht findet, irgendwo zwischen Hamburg und „gleich hinterm Deich“. Dort hat Wencke Dierksen, Ex-Kommissarin mit chronischem Ermittlungsverdruss, eigentlich dem Polizeileben endgültig Tschüss gesagt. Statt Dienstmarke gibt’s jetzt Gummistiefel. Statt Schießtraining: Stallausmisten. Und ihr neuer Chef? Kein anderer als Alpaka Christopher – ein flauschiges Wesen mit strengem Blick und dem bedrohlichen Charme eines Yogalehrers mit Steuerhinterziehung.

Doch so idyllisch wie der Möwenruf am Morgen bleibt’s natürlich nicht lange. Denn eines Tages bringt Dackel Bootsmann, seines Zeichens passionierter Hobbyfilmer mit Hang zur Handylinse, einen Film mit nach Hause, der selbst Hitchcock den Stuhl unterm Hintern weggezogen hätte: Eine leblose Hand ragt im Video aus dem Gebüsch. Die Leiche selbst bleibt verschwunden – aber das reicht, um bei Wencke den Ermittlungsnerv zu kitzeln. Oder zumindest zu jucken.

Theo Kleist, ihr alter Kollege mit dem charmanten Chaos eines Mannes, der im Kopf gleichzeitig Fallakten und Fischbrötchen jongliert, bittet sie um Hilfe. Und ehe man „Mord im Möhrengarten“ sagen kann, steckt Wencke wieder mitten in einem Fall. Mit dabei: Dackel Bootsmann, Alpaka Christopher (der gern mitten im Wohnzimmer steht, als wäre er Innenarchitekt), ein paar Dorfbewohner, die aussehen wie aus einem Loriot-Sketch gefallen, und Bio-Kisten, die mehr Geheimnisse bergen als so mancher Kofferraum.

Skurrile Kiezgrößen, alte Bekannte aus Wenckes Polizei-Vergangenheit, ein Sportverein mit undurchsichtigen Mitgliedschaften, eine Straße, auf der selbst der Postbote einen Kompass braucht – die Spuren führen überallhin. Oder auch nirgends. Immerhin reden die Leute mit Wencke. Also, wenn sie nicht gerade mit dem Traktor unterwegs oder auf dem Wochenmarkt im Klönschnack versunken sind.

Zwischen Mettbrötchen, Mordverdacht und Morgennebel entfaltet sich ein Krimi, der nicht versucht, düster zu sein, sondern lieber charmant, witzig und ein bisschen verrückt. Natürlich hätte man dem Fall eine Prise mehr Spannung geben können – aber mal ehrlich: Wer will schon Hochspannung, wenn man stattdessen Alpaka Christopher beim Fensterstarren zusehen kann? Eben.

Die Charaktere? So echt wie ein nasser Regenmantel im März. Wencke ist herrlich schlagfertig, mit einem trockenen Humor, der genauso norddeutsch ist wie ein Krabbenbrötchen im Sturm. Theo ist das sympathische Chaos mit Herz. Und die Nebenfiguren? Vom esoterischen Imker über die grantige Postbotin bis zum hippen Biohof-Gründer – jeder trägt seinen Teil zum bunten Wahnsinn bei.

Besonders gelungen ist auch die Sprache – eine Mischung aus klarer Erzählung und norddeutschem Dialekt, die einem das Gefühl gibt, beim Lesen ein Fischbrötchen in der Hand zu halten und dem Nachbarn beim Zaunstreichen zuzusehen. Man hört förmlich das Platschen der Gummistiefel im Matsch und das Zischen der Kaffeekanne auf dem alten Herd.

Das Cover? So auffällig wie ein Leuchtturm in der Wüste. Zwischen all den blutroten, düsteren Krimi-Titeln sticht „Tot überm Weidezaun“ hervor wie ein Alpakaschrei in der Nacht. Und das ist auch gut so.

Fazit:
Tot überm Weidezaun ist ein wunderbar schräger, warmherziger Krimi mit Charme, Witz und Wadenwärmern. Kein brutales Gemetzel, keine hochkomplexe FBI-Jagd – sondern eine Geschichte voller liebenswerter Schrulligkeit, mit einem Augenzwinkern erzählt und perfekt für alle, die Krimis mögen, bei denen man nebenbei noch lachen kann.

Also: Gummistiefel an, Alpaka streicheln, und ab nach Sorum – es gibt einen Mord aufzuklären! Und wer weiß: Vielleicht findet man dort nicht nur die Wahrheit, sondern auch ein bisschen sich selbst. Oder zumindest eine neue Liebe zu Dackeln mit Handy.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Rowohlt Taschenbuch
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 11. März 2025
  • Auflage ‏ : ‎ 2.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 256 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3499015447
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3499015441
  • Abmessungen ‏ : ‎ 12.6 x 1.81 x 19.1 cm
  • 13 Euro

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