/ Juli 8, 2025/ Buch

„Hinter dem Tellerrand“ ist so ein Buch, das dir erstmal ganz unaufgeregt klar macht: Essen ist viel mehr als satt werden. Klar, das sagen viele – aber Sira Huwiler-Flamm schafft es, das richtig schön runterzubrechen, ohne dass es oberlehrerhaft rüberkommt. Sie nimmt dich quasi an die Hand und zeigt dir in 20 Thesen, warum das Kochen und Essen uns eigentlich erst zu dem gemacht hat, was wir heute sind: Menschen mit Kultur, Geschichten, Identität und Gemeinschaft.

Das Coole ist: Sie erzählt das nicht trocken wie in einem Lexikon, sondern so, dass du oft denkst: „Ja stimmt – so hab ich das noch nie gesehen.“ Es geht los mit der ganz simplen Frage: Warum essen wir eigentlich so, wie wir essen? Warum gibt’s Regeln, Traditionen und Rituale? Und warum prägen die unser Leben so sehr?

Sie wirft einen Blick auf das, was wir essen, wie wir es zubereiten und mit wem wir es teilen. Dabei stellt sie fest: Das ist kein Zufall und auch nicht bloß Gewohnheit. Es ist Kultur, Geschichte, Zugehörigkeit. Zum Beispiel erzählt sie, wie ein einfaches Familienrezept über Generationen weitergegeben wird und dabei wie ein Schatz wirkt – etwas, das dich an deine Wurzeln erinnert und dir das Gefühl gibt, irgendwo dazuzugehören.

Oder wie man beim ersten Date zusammen kocht und sich näherkommt, weil gemeinsames Essen Vertrauen schafft. Und dass es auch ziemlich politisch sein kann: Was wir essen, sagt oft etwas darüber aus, wer wir sind, was wir uns leisten können oder wollen, und welche Werte wir vertreten.

Sie scheut sich nicht davor, auch die Schattenseiten anzusprechen. Zum Beispiel unser schlechtes Gewissen beim Fleischessen oder bei Wegwerfverpackungen. Sie zeigt, wie wir uns manchmal mit Genuss belohnen oder trösten, aber auch mit Stressessen oder restriktiven Diäten quälen. Sie sagt nicht „So müsst ihr das machen!“, sondern lädt dazu ein, einfach mal ehrlich über die eigene Beziehung zum Essen nachzudenken.

Was das Buch richtig lesenswert macht, ist der Stil. Sira Huwiler-Flamm schreibt wie jemand, mit dem du bei einem Glas Wein über Essen redest. Sie gibt viel Persönliches preis – über ihr erstes eigenes Risotto, über die Freude an Omas Pfannkuchen, über skurrile Geschmäcker aus aller Welt. Das macht das Ganze total nahbar und echt.

Und gleichzeitig ist es verdammt gut recherchiert. Sie hat mit Expert:innen gesprochen, Anekdoten gesammelt, spannende Interviews geführt. Man merkt, dass sie Journalistin ist: Sie kann Leute zum Erzählen bringen und zieht daraus das raus, was wirklich spannend ist. Dabei schafft sie eine Balance zwischen Wissen und Unterhaltung.

Die 20 Thesen sind eine clevere Struktur. Jede steht für ein Thema, das dich dazu bringt, mal anders über Essen nachzudenken. Zum Beispiel:

  • Essen als soziales Bindemittel
  • Kochen als Kulturtechnik
  • Geschmack als Identitätsfrage
  • Mahlzeiten als Rituale
  • Essen und Moral
  • Die Rolle der Sinne beim Genießen
  • Und sogar: Essen als Protest oder Statement

Das Buch bleibt dabei immer offen und respektvoll. Sie zeigt, dass es nicht nur „den einen richtigen“ Weg gibt. Sie beschreibt zum Beispiel die Vielfalt der Esskulturen und wie spannend es ist, über den Tellerrand hinauszuschauen – sprichwörtlich und buchstäblich.

„Hinter dem Tellerrand“ will nicht missionieren. Es will anregen. Du sollst danach nicht dein ganzes Leben umkrempeln müssen. Aber du wirst wahrscheinlich nicht mehr ganz so achtlos in deinen Kühlschrank schauen. Vielleicht hast du danach mehr Lust, mal wieder mit Freund:innen zu kochen, Neues auszuprobieren oder Familienrezepte zu feiern. Oder auch einfach bewusster zu essen – weil du weißt, was dahintersteckt.

Was ich besonders mag: Das Buch ist nicht abgehoben. Es sagt nicht: „Du musst Gourmet sein.“ Sondern es feiert Essen in allen Formen – vom Döner an der Ecke bis zum aufwändigen Sonntagsbraten. Essen verbindet Menschen. Und das ist die zentrale Botschaft: Egal, ob arm oder reich, jung oder alt, konservativ oder progressiv – wir alle müssen essen. Und das gemeinsame Essen kann uns wieder mehr zusammenbringen in einer Zeit, in der oft alles so zerrissen wirkt.

Kurz gesagt:
„Hinter dem Tellerrand“ ist ein warmherziges, kluges und unterhaltsames Buch für alle, die nicht nur ihren Magen, sondern auch ihren Kopf und ihr Herz füttern wollen. Es ist vollgepackt mit Wissen, ohne anstrengend zu sein. Es bringt dich zum Schmunzeln, Nachdenken und vielleicht auch ein bisschen zum Umdenken. Und es hat dieses ganz besondere Talent, dir Lust auf Essen zu machen – nicht nur auf das Essen selbst, sondern auch auf das, was dabei entsteht: Gespräche, Erinnerungen, Verbindungen.

Für alle, die sich fragen, ob sich das lohnt: Ja, tut es. Ob du gerne kochst oder nicht, ob du Gourmet bist oder einfach nur hungrig – dieses Buch hilft dir, Essen neu wertzuschätzen. Nicht als Pflichtprogramm, sondern als etwas zutiefst Menschliches, das uns alle verbindet.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Westend
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 2. Juni 2025
  • Auflage ‏ : ‎ 1.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 240 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3987913193
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3987913198
  • Abmessungen ‏ : ‎ 14 x 2.5 x 21.2 cm
  • 22 Euro

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