/ Juli 11, 2025/ Buch

Die Selbstbehandlung von Ängsten und Depressionen von Clemens Bergh ist kein oberflächlicher Ratgeber voller hohler Motivationssprüche, sondern ein mutmachender, seriöser und zugleich zutiefst menschlicher Begleiter auf einem oft schwierigen, aber lohnenden Weg: dem Weg zu mehr Freiheit, Klarheit und seelischer Gesundheit.

Schon beim ersten Lesen spürt man: Hier schreibt keiner, der nur Theorien aus zweiter Hand weitergibt. Clemens Bergh ist Praktiker und Forscher zugleich. Er bringt jahrzehntelange Erfahrung in Psychotherapie und Verhaltensanalyse mit und legt sie offen, ehrlich und strukturiert vor uns auf den Tisch. Dabei bleibt er niemals abstrakt oder abgehoben, sondern führt uns mitten hinein in die Realität – in die alltäglichen Gedankenspiralen, Ängste, die uns nachts wachhalten, die lähmende Schwere depressiver Phasen. Und vor allem zeigt er: Es gibt Wege heraus.

Was dieses Buch so außergewöhnlich macht, ist seine klare Botschaft: Veränderung ist möglich. Und zwar nicht erst nach jahrelanger Analyse, sondern ab sofort – wenn man bereit ist, den ersten Schritt zu gehen. Bergh schreibt in einem Ton, der gleichzeitig ermutigt und fordert, der Empathie zeigt, ohne zu schonen. Er nimmt den Leser an die Hand, aber er zieht ihn auch aus dem Sumpf falscher Ausreden.

Schon der Einstieg begeistert. Bergh erinnert daran, dass Selbstbehandlung keine moderne Modeidee ist, sondern eine uralte, zutiefst menschliche Kompetenz. Er bringt Beispiele wie Demosthenes, der sein Stottern selbst überwand, oder Goethe, der seine Phobie in den Griff bekam. Damit schlägt er eine Brücke zwischen der historischen Selbstermächtigung und dem modernen Verständnis psychischer Gesundheit. Es ist ein Aufruf zur Eigenverantwortung ohne Schuldzuweisungen – ein feiner Unterschied, den Bergh meisterhaft herausarbeitet.

Im Hauptteil entfaltet das Buch seine ganze Stärke. Bergh analysiert Ängste und Depressionen nicht oberflächlich oder in billigen Schlagworten. Er zeigt auf, wie komplex diese Störungen sind – besonders Depressionen, die er zu Recht als multifaktoriell bedingt beschreibt. Lebenskonzepte, mangelnde soziale Kompetenzen, Denkfallen, emotionale Steuerung – nichts bleibt ausgeklammert. Und doch gelingt es ihm, das alles verständlich zu erklären, ohne in billige Vereinfachungen abzurutschen.

Die Anleitungen zur Selbstbehandlung sind dabei keine patentierten „Zehn-Schritte-zum-Glück“-Listen, sondern seriös entwickelte, klar begründete Interventionen. Bergh erklärt, wie Veränderung immer auch ein Prozess des Umlernens ist – und stellt die Prinzipien dieser Veränderung vor. Besonders beeindruckend ist sein Fokus auf Konfrontationstechniken, die helfen, alte, angstbesetzte Lernprozesse umzukehren. Und sein Augenmerk auf die Veränderung kognitiver Muster – die Kunst, anders zu denken und dadurch anders zu fühlen – ist so präzise und alltagsnah erklärt, dass man beim Lesen sofort Ideen bekommt, wie man es selbst ausprobieren könnte.

Dabei spart Bergh nie aus, dass auch die besten Selbsthilfeansätze ihre Grenzen haben. Sehr fair und verantwortungsvoll betont er, dass eine Psychotherapie nicht ausgeschlossen werden sollte – im Gegenteil: Er empfiehlt das Buch sogar ausdrücklich als Entscheidungshilfe für oder gegen eine Therapie, als Begleitung während einer Behandlung oder zur Nachbereitung, um das Rückfallrisiko zu senken. Dieses differenzierte Verständnis macht das Buch so glaubwürdig.

Was ebenfalls begeistert, ist Berghs souveräner Umgang mit modernen Ansätzen wie Achtsamkeit. Er baut diese Konzepte nicht als esoterisches Allheilmittel ein, sondern erklärt klar, warum Achtsamkeit hilft und wie man sie trainieren kann. Sensibel behandelt er auch schwere Themen wie Suizid oder Burnout – ohne zu verharmlosen, aber auch ohne Angst zu schüren.

Überhaupt strahlt das ganze Buch eine bemerkenswerte Balance aus: Es ist tiefgründig, ohne unverständlich zu sein. Es bleibt kompakt (etwa 160 Seiten), ohne oberflächlich zu wirken. Es enthält viele bekannte psychologische Konzepte – aber in einer Struktur und Klarheit, die sie auch für erfahrene Leser in einem neuen Licht erscheinen lässt. Immer wieder tauchen dabei auch frische Gedanken auf, etwa zur Rolle spezifischer und unspezifischer Erinnerungen, die zeigen, wie gründlich Bergh das Thema durchdacht hat.

Und bei aller Fachlichkeit bleibt der Ton menschlich. Man spürt beim Lesen, dass Bergh seinen Lesern helfen will. Dass er sie ernst nimmt. Dass er weiß, wie sich Angst und Depression anfühlen, und dass er diese Erfahrungen mit Respekt behandelt.

Die Selbstbehandlung von Ängsten und Depressionen ist damit ein Buch, das Mut macht – echter, fundierter, tragfähiger Mut. Kein schillerndes Heilsversprechen, sondern eine Einladung zur Arbeit an sich selbst. Eine Anleitung zur Veränderung, die nicht vorgaukelt, dass es leicht wäre, aber zeigt, dass es möglich ist.

Wer selbst betroffen ist, wer Angehörige begleiten will oder einfach mehr über das Wesen von Angst und Depression erfahren möchte, der findet hier ein Werk, das man immer wieder zur Hand nehmen kann – zum Nachlesen, Nachdenken und vor allem zum Umsetzen.

Kurz gesagt: Ein Buch wie ein Licht in dunklen Zeiten. Seriös, warmherzig, praxisnah. Ein echtes Geschenk an alle, die sich selbst helfen wollen – und bereit sind, sich auf den Weg zu machen.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Mackingerverlag
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 167 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 390296412X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3902964120
  • Abmessungen ‏ : ‎ 14.7 x 0.9 x 21 cm
  • 23 Euro

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