
Einsamkeit – Ein wichtiges Thema unserer Zeit
Einsamkeit wird von vielen Seiten als eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft gesehen. Die Stiftung Patientenschutz nennt sie die „größte Volkskrankheit“, das Zukunftsinstitut spricht vom „Monster der Moderne“. Auch die Politik hat das Thema erkannt: Die Bundesregierung hat ein Strategiepapier gegen Einsamkeit veröffentlicht und fördert Projekte, die das Gefühl von Zusammenhalt stärken sollen.
Doch was ist Einsamkeit eigentlich genau? Wer ist davon betroffen, und was kann man dagegen tun? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Buch „Einsamkeit – Modelle, Ursachen, Interventionen“ von Dr. Mareike Ernst. Die Autorin ist Psychologin und forscht an der Universität Klagenfurt. Sie untersucht schon seit Jahren, wie Einsamkeit entsteht, was sie mit uns macht – und wie man ihr begegnen kann.
Das Buch ist wissenschaftlich fundiert, aber verständlich geschrieben. Es richtet sich an Studierende, Fachkräfte und alle Interessierten. Jedes Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung, Fragen zum Nachdenken und kleinen Fallbeispielen. Symbole helfen, wichtige Infos wie Merksätze oder Literaturempfehlungen schnell zu finden.
Was ist Einsamkeit?
Im ersten Kapitel wird erklärt, was Einsamkeit eigentlich bedeutet. Wichtig ist: Einsamkeit ist nicht dasselbe wie Alleinsein. Man kann allein sein, ohne sich einsam zu fühlen – und umgekehrt mitten unter Menschen einsam sein. Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl, dass einem soziale Nähe oder wichtige Beziehungen fehlen.
Es gibt verschiedene Arten von Einsamkeit. Emotionale Einsamkeit entsteht zum Beispiel, wenn man niemanden hat, mit dem man über seine Gefühle sprechen kann. Soziale Einsamkeit meint eher das Fehlen eines größeren Netzwerks oder sozialer Gruppen. Außerdem unterscheidet man zwischen kurzfristiger Einsamkeit (z. B. nach einem Umzug) und chronischer Einsamkeit, die über längere Zeit anhält.
Wer ist besonders betroffen?
Im zweiten Kapitel geht es darum, welche Menschen besonders häufig von Einsamkeit betroffen sind. Im Prinzip kann es jeden treffen – in jeder Altersgruppe. Trotzdem zeigen Studien, dass bestimmte Lebenssituationen oder Gruppen stärker gefährdet sind:
- Ältere Menschen, besonders wenn sie verwitwet sind oder in Pflegeheimen leben
- Junge Menschen, etwa beim Übergang von der Schule zur Uni oder in den Beruf
- Menschen mit Migrationshintergrund
- Personen mit geringen finanziellen Mitteln
- Menschen mit psychischen Erkrankungen oder körperlichen Einschränkungen
Auch gesellschaftliche Faktoren wie Armut, Ausgrenzung oder Wohnsituation spielen eine große Rolle.
Wie entsteht Einsamkeit?
Das dritte Kapitel beleuchtet die Ursachen. Einsamkeit kann viele Gründe haben, und verschiedene wissenschaftliche Theorien versuchen, das Phänomen zu erklären:
- Evolutionäre Sicht: Einsamkeit warnt uns wie ein innerer Alarm, dass wir den Anschluss an unsere Gruppe verlieren – was früher überlebenswichtig war.
- Psychodynamische Theorien: Kindheitserfahrungen, Bindungsmuster und unbewusste Konflikte können beeinflussen, wie sehr wir zu Einsamkeit neigen.
- Persönlichkeitsmerkmale: Introvertierte oder ängstlich-vermeidende Menschen erleben häufiger Einsamkeit.
- Biologische Ansätze: Studien zeigen, dass Einsamkeit bestimmte Hirnregionen aktiviert, die auch bei Schmerz aktiv sind.
Die Autorin betont: Es gibt nicht „die eine“ Ursache. Oft kommt vieles zusammen.
Einsamkeit in der Gesellschaft
Im vierten Kapitel geht es um die gesellschaftliche Ebene. Ernst beschreibt, wie sich die moderne Welt verändert hat: Digitalisierung, flexible Arbeitsverhältnisse, die Zunahme von Single-Haushalten – all das kann Einsamkeit fördern. Besonders deutlich wurde das während der Corona-Pandemie, als viele Menschen soziale Kontakte verloren.
Aber Einsamkeit ist nicht nur ein Ergebnis gesellschaftlicher Entwicklungen – sie kann diese auch mitgestalten. Wenn Menschen sich dauerhaft ausgeschlossen fühlen, kann das das Vertrauen in andere und in die Demokratie schwächen.
Ist Einsamkeit immer schlecht?
Im fünften Kapitel räumt die Autorin mit einem verbreiteten Missverständnis auf: Einsamkeit ist nicht per se schlecht. Wie Hunger oder Schmerz ist sie ein Signal unseres Körpers – sie zeigt an, dass uns etwas fehlt. Wenn wir dieses Signal ernst nehmen, können wir reagieren und neue Kontakte aufbauen.
Problematisch wird Einsamkeit dann, wenn sie lange andauert und wir keinen Weg finden, etwas zu ändern. Dann kann sie krank machen – psychisch wie körperlich.
Wie beeinflusst Einsamkeit die Gesundheit?
Im sechsten Kapitel zeigt Mareike Ernst, dass langanhaltende Einsamkeit mit vielen gesundheitlichen Risiken verbunden ist:
- Höheres Risiko für Depressionen, Angststörungen und Suizidgedanken
- Chronischer Stress, der das Immunsystem schwächt
- Schlechtere Schlafqualität
- Ungesundes Verhalten (z. B. wenig Bewegung, schlechte Ernährung)
- Langfristig auch körperliche Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Probleme
Die Studien zeigen einen klaren Zusammenhang – allerdings gibt es methodische Herausforderungen, etwa weil Einsamkeit schwer messbar ist.
Wie wird Einsamkeit erforscht?
Kapitel sieben beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Messung von Einsamkeit. Es gibt verschiedene Fragebögen und Tests. Manche fragen direkt („Fühlen Sie sich einsam?“), andere indirekt über das soziale Netzwerk oder das emotionale Erleben.
Wichtig ist, dass jedes Messinstrument Vor- und Nachteile hat. Die Auswahl hängt vom Ziel der Studie und der Zielgruppe ab. Besonders bei Kindern, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderung braucht es angepasste Methoden.
Was hilft gegen Einsamkeit?
Im letzten Kapitel geht es um konkrete Maßnahmen. Was kann man tun – persönlich, aber auch als Gesellschaft?
Auf individueller Ebene helfen:
- Psychoedukation: Verstehen, was Einsamkeit ist und warum man sie fühlt
- Training sozialer Kompetenzen
- Erweiterung sozialer Kontakte (z. B. durch Gruppenangebote)
- Kognitive Strategien, z. B. negative Gedankenmuster erkennen
- Realistische Erwartungen an soziale Beziehungen entwickeln
Auf gesellschaftlicher Ebene nennt Ernst verschiedene Projekte und Kampagnen aus Deutschland und anderen Ländern, die über Einsamkeit aufklären, Begegnungen fördern und das Thema enttabuisieren.
Fazit
Mareike Ernst gelingt es, ein vielschichtiges Thema wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig zugänglich darzustellen. Sie zeigt, dass Einsamkeit mehr ist als ein individuelles Problem – sie betrifft uns alle und unsere Gesellschaft. Statt vorschneller Lösungen oder Schuldzuweisungen fordert sie ein tieferes Verständnis. Nur so können wir wirksam und langfristig gegen Einsamkeit vorgehen.
- Herausgeber : UTB GmbH
- Erscheinungstermin : 13. Mai 2024
- Auflage : 1. Aufl.
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 270 Seiten
- ISBN-10 : 3825262294
- ISBN-13 : 978-3825262297
- Abmessungen : 15.2 x 2 x 21.3 cm
- 39,90 Euro