/ September 18, 2024/ Buch

Das Buch „Weder Hütten noch Paläste: Architektur und Ökologie in der Arbeitsgesellschaft“ von Günther Moewes ist ein bedeutendes Werk, das sich mit den ökologischen und gesellschaftlichen Folgen der Bauindustrie auseinandersetzt. Es wurde erstmals 1995 veröffentlicht und hat sich schnell zu einem wegweisenden Klassiker entwickelt, der nun aufgrund seiner ungebrochenen Aktualität wieder neu aufgelegt wurde.

Moewes beginnt seine Analyse mit der Feststellung, dass das Bauwesen einer der größten Verursacher der Zerstörung von Natur, Landschaften und des Klimas ist. Dabei kritisiert er, dass die Architekturbranche die Prinzipien der modernen Wirtschaftswissenschaften verinnerlicht hat, die auf Wachstum und ständigen Ressourcenverbrauch setzen. Dieser Ansatz führt zu einem kontinuierlichen Verbrauch von Material- und Energieressourcen, der irreversibel ist und in eine „Entropie“ mündet – einen Zustand, in dem die Ressourcen der Erde unwiederbringlich verbraucht sind.

Ein zentrales Thema des Buches ist die Kritik am Neubau. Moewes stellt klar: Neubauten sparen niemals Energie. Selbst energieeffiziente oder sogenannte Passivhäuser tragen nicht zur Reduzierung des Energiebedarfs bei, weil der Bau selbst und die Produktion der benötigten Materialien extrem energieintensiv sind. Besonders Zement, ein zentraler Baustoff, verursacht hohe CO₂-Emissionen. Moewes zeigt auf, dass der tatsächliche Energieverbrauch nicht nur während der Nutzung des Gebäudes anfällt, sondern schon beim Bau beginnt – und dieser initiale Aufwand oft den gesamten Energieeinsparungseffekt während der Lebensdauer des Gebäudes übersteigt.

Anhand konkreter Beispiele illustriert Moewes, wie die moderne Bauweise zur Zersiedelung und zum zunehmenden Flächenverbrauch führt. Neubaugebiete und Logistikzentren breiten sich immer weiter aus und nehmen wertvolle Landschaften in Beschlag. Dieses Bauverhalten führt nicht nur zu einem enormen Flächenverbrauch, sondern fördert auch die Entstehung von Monokulturen in der Architektur. Gleichzeitig werden Gesetze zum Klimaschutz verabschiedet, während gleichzeitig immer mehr Bauland ausgewiesen und Neubauten gefördert werden. Moewes sieht hierin einen Widerspruch, der die Probleme weiter verschärft, anstatt Lösungen zu schaffen.

Eine weitere zentrale These des Buches ist die Kritik am kapitalistischen Wachstumsdenken. Moewes macht deutlich, dass das unaufhörliche Streben nach „mehr“, nach immer weiterem Bau und steigenden Profiten, unsere Lebensgrundlagen gefährdet. Er erklärt dies anhand des Beispiels einer Stadt mit 100.000 Wohnungen, in der jedes Jahr 4.000 neue Wohnungen gebaut werden. Obwohl dies als „Nullwachstum“ bezeichnet wird, zeigt Moewes auf, dass sich die Zahl der Wohnungen innerhalb von 25 Jahren verdoppeln würde. Diese Art von Wachstum ist nicht nachhaltig und trägt weiter zur Entropie bei.

Anstatt immer weiter zu bauen, plädiert Moewes dafür, auf Neubauten weitgehend zu verzichten und stattdessen bestehende Gebäude zu sanieren. Die Sanierung von Altbauten sei die einzige wirkliche Möglichkeit, den Energieverbrauch zu senken und den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Dabei argumentiert er nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht: Die Sanierung sei langfristig gesehen günstiger und nachhaltiger.

Moewes fordert in seinem Buch eine radikale Umstellung des Bauwesens hin zu einer sogenannten „Vermeidungsgesellschaft“. In dieser Gesellschaft wird bewusst darauf verzichtet, immer weiter zu bauen, sondern der Fokus liegt auf der Erhaltung und Verbesserung bestehender Bausubstanz. Dies würde nicht nur den Energieverbrauch senken, sondern auch dazu beitragen, die Zersiedelung zu stoppen und den Flächenverbrauch zu reduzieren.

Insgesamt ist „Weder Hütten noch Paläste“ ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Architektur, die die ökologischen Grenzen respektiert. Moewes zeigt eindringlich auf, dass die Bauwirtschaft Teil des Problems ist und dass ein Umdenken dringend notwendig ist. Seine Analysen und Argumente sind auch heute, fast 30 Jahre nach der ersten Veröffentlichung, hochrelevant. Das Buch bleibt ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über Nachhaltigkeit und Architektur und liefert wertvolle Denkanstöße für Architekten, Stadtplaner und alle, die sich mit den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit beschäftigen.

„Weder Hütten noch Paläste“ von Günther Moewes ist ein absolut zeitloses Werk. Es zeigt eindrucksvoll, wie Neubauten die Umwelt belasten und plädiert für nachhaltiges Bauen durch Sanierung. Seine fundierte Analyse des Bauwesens und klare Argumentation machen das Buch auch heute noch unverzichtbar.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Nomen Verlag; um aktuelles Vorwort ergänzte Neuauflagee (8. Oktober 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 264 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3939816787
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3939816782
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.3 x 2.4 x 20.7 cm
  • 405 Gramm

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