Georg Renner zeichnet in seinem Buch „Die letzten Jahre der Zweiten Republik“ ein düsteres Bild der politischen Entwicklungen in Österreich seit 2015. Mit analytischem Blick und klarem Stil beleuchtet der Journalist die tiefen Spuren, die Migration, Pandemie, Inflation und politische Skandale im Land hinterlassen haben. Dabei wird deutlich: Österreich steht vor einer Zeitenwende, die nicht nur die politische Landschaft, sondern auch das Vertrauen der Bürger in die Demokratie nachhaltig verändert hat.
Ein Jahrzehnt der Krisen
Renner beginnt seine Analyse mit einem Schlüsselmoment: Am 27. August 2015 wurden in einem Kühllastwagen in Parndorf 71 tote Flüchtlinge gefunden. Dieses tragische Ereignis markierte den Beginn der Flüchtlingskrise, die Österreichs Politik und Gesellschaft spaltete. Die Regierung war plötzlich mit einer Welle von Herausforderungen konfrontiert, die nicht abreißen wollte: steigende Zahlen an Migranten, der Umgang mit Schlepperbanden, wachsende Spannungen in der Gesellschaft.
Dazu kamen politische Skandale wie die Ibiza-Affäre, die das Vertrauen in die politischen Eliten erschütterten, sowie die Covid-Pandemie, die mit Lockdowns, Protesten und Unsicherheit das Land in Atem hielt. Schließlich belastete die Inflation die Haushalte der Menschen und verstärkte das Gefühl, dass die Politik überfordert sei.
Der Fall der „Großen Koalition“
Eine zentrale These des Buches ist, dass das Ende der jahrzehntelangen „Großen Koalition“ aus SPÖ und ÖVP eine Zäsur in der österreichischen Politik darstellt. Die Koalition war über Jahrzehnte hinweg ein Symbol für Stabilität und Konsens. Doch interne Machtkämpfe, fehlender Reformwille und eine immer stärkere Polarisierung führten zu ihrem Niedergang.
Renner zeigt, wie diese Entwicklung den Boden für eine fragmentierte politische Landschaft bereitete. Parteien agieren heute oft unversöhnlich, und Populisten gewinnen an Einfluss. Die Frage, ob die Zweite Republik in ihrer bisherigen Form weiterbestehen kann, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Krisenmanagement: Hätten wir es besser machen können?
Renner stellt die kritische Frage: Hätte die Politik in diesen Krisen besser handeln können? Seine Analyse zeigt, dass viele der Missstände im Krisenmanagement bereits lange vor den Krisen bekannt waren. Oft mangelte es nicht nur an Vorbereitung, sondern auch an klarer Kommunikation und transparenter Entscheidungsfindung.
Doch Renner bleibt realistisch: Auch wenn man im Rückblick vieles besser machen könnte, bleibt unklar, ob andere Politiker oder Koalitionen in diesen Krisensituationen besser gehandelt hätten.
Die Zukunft der Politik in Österreich
Im letzten Kapitel wagt Renner einen Blick nach vorn. Er plädiert dafür, Politiker weniger nach ihren Versprechungen und mehr nach ihrer Fähigkeit, mit Krisen umzugehen, zu beurteilen. Die kommenden Wahlen sieht er als Chance, die politische Landschaft zu erneuern und das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.
Gleichzeitig mahnt er, dass ein Rückzug ins Private oder ein pauschales Misstrauen gegenüber der Politik die falschen Antworten sind. Die Herausforderungen der Zukunft – von Klimawandel bis zu sozialer Ungleichheit – erfordern eine starke und handlungsfähige Demokratie.
Fazit: Ein Buch, das zum Nachdenken anregt
„Die letzten Jahre der Zweiten Republik“ ist mehr als eine Chronik der letzten zehn Jahre. Es ist eine tiefgründige Analyse darüber, wie Österreich an einem Jahrzehnt der Krisen gewachsen und gleichzeitig an seinen politischen Strukturen gescheitert ist.
Renner schreibt in einer klaren, gut verständlichen Sprache, die auch komplexe Zusammenhänge für ein breites Publikum greifbar macht. Sein Buch richtet sich an alle, die sich für die politische und gesellschaftliche Entwicklung Österreichs interessieren und verstehen wollen, warum Vertrauen in die Politik so wichtig ist – und wie es zurückgewonnen werden kann.
Mit seinen 3,9 von 5 Sternen bei bisherigen Bewertungen zeigt sich, dass „Die letzten Jahre der Zweiten Republik“ polarisiert, aber auch viele Leserinnen und Leser zum Nachdenken anregt. Dieses Buch ist ein Weckruf, der die Dringlichkeit eines neuen politischen Miteinanders betont.
- Herausgeber : ecoWing; 1. Edition (22. August 2024)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 192 Seiten
- ISBN-10 : 3711003591
- ISBN-13 : 978-3711003591
- Abmessungen : 15.4 x 2.2 x 21.6 cm
- 432 Gramm
- 24 Euro