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orange, weisse schrift
In der Zeit des Nationalsozialismus, also zwischen 1938 und 1945, wurden viele Menschen in Österreich verfolgt, weil sie nicht den Vorstellungen der damaligen Machthaber entsprachen. Dazu gehörten auch homosexuelle Menschen – also Menschen, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlten. Lange Zeit wurde diese Verfolgung nur bei homosexuellen Männern anerkannt. Erst seit dem Jahr 2005 zählt Österreich auch lesbische Frauen, die damals verfolgt wurden, offiziell zu den Opfern des Nationalsozialismus.
Das Buch „Verbotene Beziehungen“ von Natascha Bobrowsky beschäftigt sich genau mit diesem bisher kaum bekannten Teil der Geschichte: Mit Frauen, die wegen gleichgeschlechtlicher Liebe oder Beziehungen in der NS-Zeit vor Gericht standen, verurteilt wurden und zum Teil sogar ins Gefängnis oder Konzentrationslager kamen.
Warum ist dieses Buch so wichtig?
Bisher wurde in der Geschichtsschreibung meistens über Männer gesprochen, wenn es um homosexuelle Verfolgung ging. Frauen, die Frauen liebten, kamen selten vor. Dieses Buch gibt ihnen endlich eine Stimme. Es zeigt auf, wie ihr Leben damals aussah – in einer Zeit, in der ihre Liebe als „verboten“ galt. Bobrowsky hat sich dafür alte Gerichtsakten angesehen, in denen Fälle von angeklagten Frauen dokumentiert sind. Daraus hat sie Geschichten rekonstruiert, die bisher niemand erzählt hat.
Was steht im Buch?
Die Autorin versucht herauszufinden, wie die Frauen einander kennenlernten, wie sie kommunizierten, sich trafen und wie ihre Beziehungen aussahen. Dabei geht es nicht nur um romantische oder sexuelle Beziehungen, sondern auch um Freundschaften und alltägliche Begegnungen, die unter dem Verdacht der Homosexualität standen. Es wird gezeigt, wie gefährlich es damals war, offen lesbisch zu leben – oder auch nur so zu erscheinen.
Ein weiterer Teil des Buches beschäftigt sich mit dem, was nach einer Verurteilung passierte. Einige Frauen kamen ins Gefängnis oder sogar in Konzentrationslager. In manchen Fällen wird auch gefragt, ob die betroffenen Frauen selbst in bestimmten Situationen Täterinnen waren – zum Beispiel, wenn sie andere verraten haben, um sich selbst zu schützen. Die Autorin behandelt diese Fragen sehr sensibel und kritisch. Sie stellt nicht nur das, was in den Akten steht, als Wahrheit hin, sondern hinterfragt es. Denn die Akten stammen von einem System, das die betroffenen Frauen unterdrückt und kriminalisiert hat.
Was ist das Besondere an diesem Buch?
Bobrowsky kritisiert, dass die Geschichte oft aus einer männlichen und herrschenden Sicht geschrieben wird. Sie nennt das „patriarchale Narrative“, also Erzählweisen, die Männer in den Mittelpunkt stellen und Frauen kaum zeigen oder ihnen keine eigene Stimme geben. Das Buch „Verbotene Beziehungen“ will genau das ändern: Es erzählt von Frauenleben, die unsichtbar gemacht wurden – und stellt damit die Machtverhältnisse infrage, die diese Unsichtbarkeit überhaupt erst geschaffen haben.
Es geht also nicht nur um Geschichte, sondern auch um Gerechtigkeit. Um die Anerkennung und Erinnerung an Frauen, die doppelt unterdrückt wurden: Weil sie Frauen waren und weil sie Frauen liebten.
Für wen ist das Buch interessant?
Das Buch ist für alle lesenswert, die sich für Geschichte, Frauenrechte, queere Themen und soziale Gerechtigkeit interessieren. Es ist auch für Menschen spannend, die sich mit der NS-Zeit aus einer anderen, neuen Perspektive beschäftigen wollen. Besonders eindrücklich ist, wie persönlich und menschlich die Geschichten sind, die Bobrowsky erzählt. Es geht um Liebe, Mut, Angst, Verstecken, Überleben – und um das Recht, so zu leben, wie man ist.
Fazit:
„Verbotene Beziehungen“ von Natascha Bobrowsky ist ein wichtiges, bewegendes Buch. Es beleuchtet ein bisher fast vergessenes Kapitel der österreichischen Geschichte. In einfacher, gut verständlicher Sprache erzählt es von Frauen, deren Leben im Schatten des NS-Regimes standen. Die Autorin gibt ihnen endlich Raum – mit Respekt, Tiefe und kritischem Blick auf die Vergangenheit. Ein Buch gegen das Vergessen – und für eine vielfältige Erinnerungskultur.
- Herausgeber : Mandelbaum Verlag eG; 1. Edition (1. Dezember 2024)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 200 Seiten
- ISBN-10 : 3991360721
- ISBN-13 : 978-3991360728
- Abmessungen : 13.5 x 2.1 x 20.7 cm
- 23 Euro