/ April 22, 2025/ Buch

Eine stille, eindrucksvolle Graphic Novel über die Fukushima-Katastrophe und ihre Spuren im Leben ganz gewöhnlicher Menschen.

Am 11. März 2011 geschieht in Japan etwas Schreckliches: Nach einem starken Erdbeben und einem gewaltigen Tsunami kommt es zur Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima. Strahlung tritt aus, Menschen verlieren ihre Heimat, ihr Hab und Gut – und viele leben bis heute mit den Folgen.

Aber was passiert eigentlich mit denen, die weit weg davon leben? Die alles „nur“ im Fernsehen sehen, in Zeitungen lesen oder in Gesprächen aufschnappen? Genau hier setzt die Graphic Novel „Super-GAU“ von Bea Davies an – und tut das auf eine sehr besondere Art.

Keine Helden, keine Explosionen – sondern ganz normale Menschen

Bea Davies erzählt nicht die Geschichte der Menschen, die direkt vor Ort in Fukushima leben. Stattdessen geht es um acht Personen, die in Berlin und Japan wohnen. Einige von ihnen kennen sich, andere begegnen sich nur flüchtig. Was sie verbindet: Alle erleben den Tag der Katastrophe und die Zeit danach auf ihre eigene, ganz persönliche Weise.

Diese Menschen sind keine Heldinnen oder Helden. Es sind ganz normale Leute: Eine Mutter mit Kind, ein alter Mann, ein Student, eine Journalistin. Ihr Alltag scheint zunächst nichts mit Fukushima zu tun zu haben. Doch nach und nach spüren sie, wie das Ereignis in ihre Gedanken, Gespräche und Gefühle eindringt.

Anfangs ist es nur eine Nachricht im Radio. Doch dann entstehen Ängste. Fragen. Unsicherheiten. Was bedeutet das für uns? Ist Atomkraft wirklich sicher? Was passiert, wenn so etwas auch bei uns geschieht?

Wie eine Katastrophe langsam in den Alltag sickert

Das Besondere an „Super-GAU“ ist die ruhige, nachdenkliche Erzählweise. Hier geht es nicht um Action, sondern um Gefühle, Gedanken und Reaktionen. Die Figuren versuchen, das Gesehene zu verstehen, zu verarbeiten und einzuordnen. Dabei wird klar: Eine große Katastrophe verändert nicht nur das Leben der direkt Betroffenen – sie verändert auch das Denken vieler anderer Menschen weltweit.

So zeigt Bea Davies, wie sich globale Ereignisse ganz leise und schleichend in unseren Alltag schleichen können. Vielleicht nicht mit lauten Explosionen, aber mit einem unguten Gefühl, das bleibt. Die Figuren in Berlin sind tausende Kilometer entfernt – und doch wirkt das Geschehen auch auf sie. Diese Verbindung über Distanz ist ein zentrales Thema des Buches.

Bilder statt viele Worte

„Super-GAU“ ist eine Graphic Novel – also ein Comic für Erwachsene mit ernstem Inhalt und künstlerischem Anspruch. Die Geschichte ist nur 208 Seiten lang und hat wenig Text. Vieles wird durch Bilder erzählt. Diese Bilder sind nicht bunt und fröhlich, sondern ruhig, schlicht und reduziert. Manchmal fast skizzenhaft, wie mit wenigen Strichen gezeichnet. Das passt sehr gut zum ernsten Thema.

Bea Davies zeigt in ihren Zeichnungen nicht alles bis ins kleinste Detail. Vieles bleibt bewusst offen. So entsteht Raum für eigene Gedanken. Die Lesenden dürfen selbst mitdenken, sich eigene Bilder im Kopf machen und ihre eigene Erinnerung an Fukushima dazulegen.

Manche Seiten wirken wie ein Standbild, andere zeigen kleine, stille Bewegungen: eine Hand, ein Blick, ein leerer Raum. Gerade diese Zurückhaltung macht die Geschichte so eindrucksvoll.

Ein ruhiger, aber nachwirkender Eindruck

„Super-GAU“ ist kein lautes Buch. Es schreit nicht nach Aufmerksamkeit. Es will nicht schockieren oder dramatisieren. Und genau deshalb wirkt es so stark.

Viele Lesende sagen: Dieses Buch lässt einen nicht sofort los. Es begleitet einen noch lange nach der letzten Seite. Man denkt über das Gelesene nach, vergleicht es mit den eigenen Erinnerungen an den Tag der Katastrophe. Vielleicht erinnert man sich sogar wieder daran, wo man selbst war, als man zum ersten Mal davon hörte.

Die Graphic Novel zeigt auch, wie verletzlich unser Alltag ist. Wie schnell Dinge, die uns sicher erscheinen, plötzlich ins Wanken geraten können. Und wie wichtig es ist, sich bewusst zu machen: Wir leben alle auf einem Planeten. Was in Japan passiert, betrifft uns vielleicht nicht direkt – aber es geht uns alle an.

Acht Perspektiven – ein gemeinsames Gefühl

Die acht Figuren in „Super-GAU“ sind sehr unterschiedlich. Jede Person hat ihre eigene Geschichte, ihre eigene Art zu denken und zu fühlen. Aber alle erleben den gleichen Tag – den 11. März 2011 – und danach eine Welt, die sich verändert hat.

Diese Vielfalt zeigt, wie vielschichtig unsere Reaktionen auf Krisen sein können. Manche verdrängen die Angst. Andere sprechen darüber. Manche handeln. Andere fühlen sich machtlos. Und doch gibt es eine gemeinsame Linie: Die Suche nach Sicherheit. Nach Verstehen. Nach Halt.

Fazit: Ein stilles Meisterwerk mit großer Wirkung

„Super-GAU“ von Bea Davies ist mehr als nur eine Graphic Novel. Es ist ein künstlerischer und emotionaler Zugang zu einem der größten Unglücke unserer Zeit – ohne belehrend zu sein, ohne Pathos, ohne laute Töne.

Es ist ein Buch für Menschen, die sich für die Verbindung von Weltgeschehen und persönlichem Erleben interessieren. Für alle, die verstehen wollen, wie große Ereignisse auch in unserem Inneren Spuren hinterlassen können.

Wer „Super-GAU“ liest, wird nicht mit einem fertigen Urteil zurückgelassen. Stattdessen bleibt ein Gefühl. Eine Nachdenklichkeit. Vielleicht auch eine stille Betroffenheit.

Und genau das ist die Stärke dieses Buches: Es zeigt, wie tief ein scheinbar fernes Ereignis in unser Denken eindringen kann. Leise. Eindringlich. Und unvergesslich.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Carlsen Comics (25. Februar 2025)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 208 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3551756473
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3551756473
  • Lesealter ‏ : ‎ Ab 12 Jahren
  • Abmessungen ‏ : ‎ 17.55 x 2 x 24.5 cm
  • 26 Euro

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