
Das Buch Climate Engineering: Wie wir uns technisch zu Tode siegen, statt die Gesellschaft zu revolutionieren von Annette Schlemm befasst sich kritisch mit den Technologien und Konzepten des Climate Engineering (CE). Diese sollen die Folgen des Klimawandels abmildern, indem sie entweder Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen oder die Sonneneinstrahlung reduzieren, um die Erde abzukühlen. Doch Schlemm warnt eindringlich vor den Risiken dieser Ansätze und betont die Notwendigkeit, gesellschaftliche Veränderungen in den Mittelpunkt zu stellen.
Was ist Climate Engineering?
Climate Engineering umfasst Technologien, die gezielt in das Klimasystem eingreifen. Zwei Hauptansätze werden diskutiert:
- Abschattung der Sonne: Methoden wie das Ausbringen von Aerosolen in die Atmosphäre sollen die Sonneneinstrahlung reduzieren und so die Erde abkühlen.
- Entfernung von Kohlendioxid (CO₂): Techniken wie Direct Air Capture (DAC) sollen das bereits ausgestoßene CO₂ aus der Atmosphäre ziehen.
Diese Maßnahmen werden oft als Plan B betrachtet, falls es nicht gelingt, die Treibhausgasemissionen schnell genug zu reduzieren.
Kritische Analyse der Technologien
Schlemm untersucht die verschiedenen Climate-Engineering-Ansätze detailliert. Dabei arbeitet sie ihre Potenziale, aber auch ihre gravierenden Risiken und Begrenzungen heraus:
- Unsicherheiten und Nebenwirkungen: Viele Technologien sind noch in der Erprobung. Ihre Wirksamkeit im großen Maßstab ist unklar, und die unerwünschten Folgen für Ökosysteme oder Wetterphänomene sind kaum absehbar.
- „Moral Hazard“: Schlemm warnt vor der Gefahr, dass die bloße Möglichkeit von CE dazu führen könnte, dass Regierungen und Unternehmen weiterhin hohe Emissionen in Kauf nehmen, anstatt drastische Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu ergreifen.
- Ungleiche Auswirkungen: Die Maßnahmen könnten bestehende soziale und globale Ungleichheiten verstärken. Wer entscheidet, welche Technologien zum Einsatz kommen und wer trägt die Risiken? Besonders betroffen wären oft Länder des globalen Südens, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben.
Gesellschaftliche Perspektiven auf den Klimawandel
Die Autorin betont, dass technische Lösungen allein nicht ausreichen, um den Klimawandel zu bewältigen. Sie plädiert für einen radikalen gesellschaftlichen Wandel, der soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung ins Zentrum rückt.
- Postkapitalistische Visionen: Schlemm argumentiert, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem mit seinem Wachstumszwang einer der Haupttreiber des Klimawandels ist. Eine grundlegende Veränderung hin zu einer kollektiv vernünftig gestalteten Gesellschaft ist aus ihrer Sicht unerlässlich.
- Technologien als Ergänzung, nicht als Ersatz: Während Schlemm viele CE-Techniken kritisch sieht, erkennt sie an, dass bestimmte Maßnahmen – etwa die Entfernung von CO₂ aus der Atmosphäre – in begrenztem Rahmen unvermeidbar sein könnten. Dabei plädiert sie für risikoarme, naturverträgliche Ansätze.
Warum ist das Thema so dringlich?
Schlemm beschreibt, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass Climate Engineering heute als notwendiger Bestandteil der Klimapolitik betrachtet wird:
- Versagen der Klimapolitik: Trotz jahrelanger Warnungen und internationaler Vereinbarungen wie dem Pariser Abkommen gehen die globalen Emissionen kaum zurück. CE wird daher als letzte Hoffnung gesehen, das Schlimmste zu verhindern.
- Politische Kurzsichtigkeit: Regierungen und Unternehmen neigen dazu, schnelle technische Lösungen zu bevorzugen, anstatt tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zu fördern.
Ein Plädoyer für einen anderen Umgang mit der Klimakrise
Schlemm fordert eine breitere gesellschaftliche Debatte über Climate Engineering und die ethischen, sozialen und ökologischen Fragen, die damit verbunden sind. Sie warnt vor der Installation neuer Machtstrukturen, die unter dem Vorwand der Klimarettung Technologien kontrollieren und ausnutzen könnten.
- Kritische Einmischung notwendig: Die Autorin ruft dazu auf, dass sich Bewegungen für Klimagerechtigkeit aktiv in die Diskussion einbringen, um sicherzustellen, dass die Interessen der globalen Gemeinschaft und der Natur Vorrang haben.
Für wen ist das Buch?
Dieses Buch richtet sich an Leserinnen und Leser, die sich kritisch mit dem Klimawandel und seinen Lösungsansätzen auseinandersetzen wollen. Es spricht:
- Studierende und Fachleute aus Umwelt- und Sozialwissenschaften,
- Aktivistinnen und Aktivisten der Klimabewegung,
- sowie alle, die sich für eine gerechtere und nachhaltigere Welt interessieren.
Die Autorin verbindet physikalisches Fachwissen mit gesellschaftspolitischen Analysen und bietet so eine umfassende Perspektive auf das Thema.
Fazit: Ein wichtiger Beitrag zur Klimadebatte
Annette Schlemm zeigt in Climate Engineering, dass technische Lösungen wie CE nicht losgelöst von sozialen, politischen und ethischen Fragen betrachtet werden dürfen. Das Buch mahnt zur Vorsicht vor einer Überbetonung technologischer Ansätze, die die eigentlichen Ursachen des Klimawandels – wie den Wachstumszwang und die Ungleichheit im kapitalistischen System – unangetastet lassen.
Es ist ein nachdenklich machendes Werk, das nicht nur die Risiken des Climate Engineering aufzeigt, sondern auch den Weg zu einer gerechteren und nachhaltigeren Gesellschaft weist. Ein lesenswerter Beitrag zur dringend notwendigen Klimadebatte.
- Herausgeber : Mandelbaum Verlag eG; 1. Edition (1. Oktober 2023)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 322 Seiten
- ISBN-10 : 3991365073
- ISBN-13 : 978-3991365075
- Abmessungen : 11.8 x 2.3 x 16.5 cm
- 20 Euro