
Mit Das Haus am Gänsemarkt entführt Petra Oelker die Leser:innen in das von den Franzosen besetzte Hamburg der Jahre 1812 bis 1814. Der historische Roman verbindet persönliche Schicksale mit einem lebendigen Bild der damaligen Zeit und gibt Einblicke in die Herausforderungen und Konflikte, die durch die napoleonische Besatzung entstanden.
Die Handlung
Die junge Sophia Benedikt lebt im Haus ihres Onkels Arnold Brestetten, einem wohlhabenden Kaufmann, während ihre Eltern in Amerika sind. Das Leben im prächtigen Haus am Hamburger Gänsemarkt scheint auf den ersten Blick sicher und komfortabel, doch die Zeiten sind turbulent: Kaiser Napoleon hat Europa überrollt, und Hamburg gehört nun zu den von Frankreich beherrschten Norddepartements.
Die französische Kontinentalsperre, die den Handel mit Großbritannien verhindern soll, bringt Brestettens Geschäfte ins Wanken. Zu allem Überfluss wird sein Haus von einem französischen Offizier und dessen Gefolge beschlagnahmt. Während Brestetten versucht, sich mit den neuen Umständen zu arrangieren, wächst in der Stadt der Widerstand gegen die Besatzung. Auch Sophia und die anderen Bewohner des Hauses stehen vor schwierigen Entscheidungen, die nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Beziehungen auf die Probe stellen.
Die historische Kulisse
Petra Oelker zeichnet ein lebendiges Bild von Hamburg zur Zeit Napoleons. Die Stadt, eine wichtige Handelsmetropole, wird in dieser Epoche zum Schauplatz von Pracht und Elend gleichermaßen: Während die französischen Offiziere rauschende Feste feiern, leidet ein Großteil der Bevölkerung unter Hunger und den wirtschaftlichen Folgen der Besatzung. Die Kontinentalsperre hat den Handel, der das Rückgrat der Stadt bildet, fast vollständig lahmgelegt.
Die Autorin beschreibt nicht nur die politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen, sondern auch die alltäglichen Sorgen und Nöte der Menschen. Durch die detaillierte Darstellung von Schauplätzen und sozialen Spannungen wird die Epoche greifbar.
Charaktere und Konflikte
Die Figuren in Das Haus am Gänsemarkt sind komplex und gut ausgearbeitet. Arnold Brestetten verkörpert die Unsicherheit eines Kaufmanns, der versucht, in einer feindlich geprägten Umgebung seine Existenz zu bewahren. Sophia ist eine junge Frau, die in einer Welt voller Umbrüche ihren Platz sucht.
Die Beziehungen der Charaktere spiegeln die Zerrissenheit der Zeit wider: Soll man sich anpassen und das Beste aus der Situation machen, oder sich dem Widerstand anschließen? Diese moralischen Dilemmata machen die Geschichte besonders fesselnd und lassen die Leser:innen mit den Figuren mitfühlen.
Schreibstil und Erzählweise
Petra Oelkers Schreibstil ist klar, flüssig und fesselnd. Sie verwendet eine elegante Sprache, die der historischen Kulisse gerecht wird, aber dennoch leicht verständlich bleibt. Ihre Beschreibungen sind so lebendig, dass man sich die engen Gassen Hamburgs, die prächtigen Kaufmannshäuser und die karge, vom Meer geprägte Landschaft mühelos vorstellen kann.
Die Autorin versteht es, historische Fakten mit fiktiven Elementen zu verbinden, sodass die Geschichte sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist. Die Spannung wird durch die wechselnden Perspektiven der Charaktere und die sich zuspitzenden Konflikte aufrechterhalten.
Besondere Themen und Botschaften
Ein zentrales Thema des Romans ist die Frage nach Loyalität: Wie weit kann oder sollte man gehen, um sich selbst und seine Familie zu schützen? Der Roman zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich Menschen auf äußere Bedrohungen reagieren und wie schwer es sein kann, in Zeiten politischer und sozialer Umbrüche die richtige Entscheidung zu treffen.
Darüber hinaus thematisiert Oelker die sozialen Ungleichheiten der damaligen Zeit. Während die reichen Kaufleute noch einigermaßen gut leben, leiden die ärmeren Schichten unter Hunger und Armut. Diese Spannungen tragen zur Authentizität des Romans bei und machen ihn zu einer facettenreichen Erzählung.
Fazit
Das Haus am Gänsemarkt ist ein hervorragend recherchierter und atmosphärisch dichter Roman, der die Leser:innen in eine spannende und bewegte Epoche der Hamburger Geschichte entführt. Mit lebendigen Charakteren, detailreichen Beschreibungen und einer fesselnden Handlung bietet Petra Oelker eine perfekte Mischung aus historischer Genauigkeit und emotionaler Tiefe.
Der Roman ist eine klare Empfehlung für Fans historischer Romane, insbesondere für diejenigen, die sich für die Geschichte Hamburgs oder die Napoleonische Ära interessieren. Oelkers Buch ist nicht nur unterhaltsam, sondern regt auch zum Nachdenken über Themen wie Loyalität, Widerstand und die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf das Leben der Menschen an.
Ein gelungenes Werk, das den Leser:innen nicht nur Freude bereitet, sondern sie auch dazu einlädt, mehr über diese spannende Zeit zu erfahren.
- Herausgeber : Wunderlich; 1. Edition (15. Oktober 2024)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 480 Seiten
- ISBN-10 : 3805200951
- ISBN-13 : 978-3805200950
- Abmessungen : 13.6 x 3.9 x 21 cm
- 24 Euro