/ Oktober 8, 2023/ Buch

Ernst-Wilhelm Händler


„Der absolute Feind“ ist gewiss kein Buch für jedermann. Gerade in den ersten 75 Seiten stand ich kurz vor Verzweiflung, und das Schicksal des Romans schien dem meiner blauen Tonne ähnlich zu sein. Als deutscher Leser störte mich zudem die Präsenz englischer Passagen in einem deutschen Roman – ja, es gibt immer noch Leser, die des Englischen nicht mächtig sind.

Doch dann, Seite um Seite, entfernte sich „Der absolute Feind“ von meiner bedrohlichen blauen Papiertonne. Der Schriftsteller, der den Galeristen Voigtländer porträtieren soll, wechselte plötzlich den Ton, begann mehr zu erzählen.

In Ernst-Wilhelm Händlers Werk „Der absolute Feind“ erhält ein Autor eine ungewöhnliche Mission: Er soll über den erfolgreichen Berliner Galeristen Georg Voigtländer schreiben und ergründen, warum dieser, nach einem fünfjährigen Aufenthalt in einer kalifornischen Psychiatrie, Galerist wurde. Auf Voigtländers Einladung besucht der Schriftsteller Kunstmessen wie die Art Basel in Hongkong und die Armory Show in New York, wo die Galerie vertreten ist, sowie die Biennale in Venedig. Dabei macht er Bekanntschaft mit der ungewöhnlichen Voigtländer-Familie und begibt sich in Italien auf die Spuren des Malers Schelchshorn, der für die Galerie von großer nichtkommerzieller Bedeutung ist, jedoch von einer Mega-Galerie umworben wird. Der Schriftsteller setzt alles daran, sich in den Galeristen hineinzuversetzen, doch Georg Voigtländer bleibt ein Rätsel. Vielleicht macht er sein Leben selbst zu einem Kunstwerk?

Ich zähle mich keineswegs zu den kunstbegeisterten Lesern, weshalb ich oft temporär mehr in meinem Laptop las als in diesem Roman. Doch dabei habe ich interessante Persönlichkeiten kennengelernt. Besonders Kippenberger und sein exzentrischer Bereich sind mir im Gedächtnis geblieben. Allerdings frage ich mich, ob ein Autor voraussetzen kann, dass seine Leserschaft so viele Künstler und ihre Werke kennt.

Literatur und Kunst verschmelzen in der Gesellschaftskritik von „Der absolute Feind“. Ob es ihnen und vor allem dem Leser gefällt, werden die Verkaufszahlen zeigen. Der Autor ist mir letztendlich doch noch nahegekommen. Im Rückblick betrachtet ist es ein ausgezeichneter Roman, der meinen Blick auf Literatur und Kunst verändert hat. Er hat mir die Augen geöffnet und den harten Alltag einer mir fremden Welt näher gebracht, was mich zum Nachdenken angeregt hat.

„Der absolute Feind“ ist ein fesselnder Roman, der anfangs Herausforderungen bietet, aber mit der Zeit tiefgründig und packend wird. Die kunstvoll gewobene Handlung und die facettenreichen Charaktere bieten einen Einblick in die Kunstszene und regen zum Nachdenken über Literatur und Gesellschaft an. Dieses Buch öffnet Türen zu einer Welt, die manche vielleicht nicht kennen, und bringt neue Perspektiven hervor. Ein gelungenes Werk, das zum Grübeln und Reflektieren anregt.

  • Herausgeber ‏ : ‎ S. FISCHER; 1. Edition (30. August 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 416 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3103975600
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3103975604
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.5 x 3.34 x 21 cm

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