
„Egal wohin, Baby“ ist ein Buch des österreichischen Autors Christoph Ransmayr, das 2024 veröffentlicht wurde. Es besteht aus 70 kurzen Geschichten, die Ransmayr als „Mikroromane“ bezeichnet. Jedes dieser kleinen Erzählungen ist mit einem Schwarz-Weiß-Foto verbunden, das die jeweilige Geschichte visuell unterstützt. Die Geschichten sind sehr unterschiedlich und reichen von Reiseerlebnissen in fernen Ländern bis hin zu kleinen, scheinbar unbedeutenden Momenten des Lebens. Sie sind Teil einer Sammlung, die von Ransmayrs umfangreichen Reisen und seiner Fähigkeit, alltägliche Begebenheiten in literarische Erlebnisse zu verwandeln, zeugt.
Ransmayr, ein bekannter und vielfach ausgezeichneter Schriftsteller, hat sich für dieses Buch einen fiktiven Namen gegeben: „Lorcan“. In seinem Vorwort erklärt er, dass dieser Name aus einer Erzählung stammt, die ihn gerade in seiner kreativen Arbeit beschäftigt. Der Name „Lorcan“ symbolisiert für ihn eine neue Identität, die er in diesem Buch annimmt. Dies mag für den Leser etwas verwirrend sein, da der Autor in vielen seiner Werke seinen eigenen Namen nutzt, doch für „Egal wohin, Baby“ erscheint dieser fiktive Name als eine Art künstlerische Distanz.
Die Erzählungen in diesem Buch sind kurze, prägnante Geschichten, die in der Regel nur zwei bis drei Seiten umfassen. Sie springen in ihrer Thematik und ihrem Setting oft von einem Moment zum nächsten, von einem Land zum anderen, ohne dass der Leser lange in einem bestimmten Szenario verweilen kann. Ransmayr nimmt uns mit auf eine Reise rund um den Globus, indem er uns von Erlebnissen in Ländern wie Mexiko, Brasilien, Russland, Indien, China und vielen anderen berichtet. Doch die Geschichten beschränken sich nicht nur auf große Reisen und ferne Länder. Auch kleinere, alltägliche Momente finden ihren Platz, wie etwa die Beobachtung einer Fliege, die in Whisky ertrinkt, oder die Begegnung mit einer über hundertjährigen Frau, die zum ersten Mal Schnee sieht.
Ein markantes Merkmal des Buches ist, dass jedes der 70 Kapitel mit einem Foto von Ransmayr selbst begleitet wird. Diese Schwarz-Weiß-Bilder sind oft unscheinbar und zeigen häufig alltägliche Szenen oder einfache Details, die mit der jeweiligen Geschichte in Verbindung stehen. Die Bilder verstärken den Eindruck, dass es sich um Schnappschüsse handelt – kurze, flüchtige Momente des Lebens, die eingefangen und in einer Geschichte festgehalten werden.
Die Mikroromane in „Egal wohin, Baby“ sind schnell zu lesen und vermitteln in wenigen Sätzen oft eine tiefere Bedeutung oder eröffnen ein Fenster in die Gedankenwelt des Autors. Einige Geschichten handeln von persönlichen Erlebnissen und Beobachtungen, die aus Ransmayrs eigenen Reisen und Erfahrungen stammen. In Indien beschreibt er beispielsweise ein Fest, das er besucht hat, und erzählt von Elefanten und ihrer Bedeutung in der indischen Kultur. Es sind jedoch nicht nur große Abenteuer oder exotische Schauplätze, die Ransmayr interessieren, sondern auch kleine, unscheinbare Dinge des Lebens. Das ist eine der Stärken des Buches – es zeigt, wie faszinierend und bedeutungsvoll selbst die unscheinbarsten Momente sein können.
Insgesamt vermittelt das Buch ein Gefühl von Leichtigkeit und flüchtiger Schönheit, die in der Art und Weise, wie Ransmayr die Geschichten erzählt, zum Ausdruck kommt. Die Erzählweise ist prägnant und wortgewandt, aber auch melancholisch und nachdenklich. Ransmayr ist ein Meister der kurzen Form, der es versteht, in wenigen Zeilen eine ganze Welt zu erschaffen. Doch gerade diese Kürze kann für den Leser auch eine Herausforderung sein, denn man wird oft nur kurz in eine Geschichte eingeführt, um dann zum nächsten Kapitel weiterzuziehen.
Das Konzept der Mikroromane ist ein interessantes Experiment in der Kunst des Erzählens, und es bietet dem Leser die Möglichkeit, verschiedene Facetten des Lebens zu entdecken, ohne sich lange mit einer einzigen Geschichte auseinanderzusetzen. Gleichzeitig bleibt der Autor dem klassischen Reiseerzählgenre treu, indem er uns auf eine Reise durch verschiedene Länder und Kulturen mitnimmt.
„Egal wohin, Baby“ ist also ein Werk, das den Leser dazu einlädt, in kleine, aber bedeutende Momente einzutauchen und dabei die weite Welt in ihrer Vielfalt zu entdecken. Christoph Ransmayr zeigt mit diesem Buch, dass Geschichten nicht immer lang und episch sein müssen, um tief zu berühren und nachdenklich zu machen. Die Mikroromane sind ein Zeugnis seiner Reiseerfahrungen und seiner Fähigkeit, selbst in den einfachsten Szenen etwas Besonderes zu finden.
„Egal wohin, Baby“ ist ein faszinierendes Buch von Christoph Ransmayr, das 70 Mikroromane vereint. Jede Geschichte, begleitet von einem Schwarz-Weiß-Foto, bietet einen kurzen, aber intensiven Einblick in Ransmayrs Erlebnisse aus aller Welt. Die Erzählungen sind vielfältig, von großen Abenteuern bis zu alltäglichen Momenten, und berühren auf subtile Weise. Ransmayrs prägnante, meisterhafte Schreibweise und seine Fähigkeit, kleine Momente zu bedeutungsvollen Geschichten zu machen, machen dieses Buch zu einem besonderen Leseerlebnis.
- Herausgeber : S. FISCHER; 3. Edition (27. November 2024)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 256 Seiten
- ISBN-10 : 3103976615
- ISBN-13 : 978-3103976618
- Abmessungen : 13 x 2.34 x 21.9 cm
- 28 Euro