/ Januar 17, 2023/ Romane

Im Buch „Freispruch für Stella Goldschlag“ beschreibt der Autor Karl Alich die Geschichte von Stella Goldschlag, die 1946 von einem sowjetischen Gericht zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, weil sie beschuldigt wurde, Juden an die Gestapo verraten zu haben. Nach ihrer Entlassung wurde sie weiter von westlichen Gerichten verfolgt. Der Autor beschreibt dies als eine lange Zeit des Hasses gegen sie aus antisemitischen Gründen. Er will in seinem Buch Gerechtigkeit für sie erreichen.

Stella Goldschlag wurde 1922 in Berlin geboren und wollte Musikerin werden. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie jedoch von der Gestapo gezwungen, als „Greiferin“ zu arbeiten und untergetauchte Juden zu verraten. Sie tat dies, weil die Gestapo drohte, ihre Eltern zu deportieren. Es wird gesagt, dass sie in 300 Fällen geholfen hat. Nach einer Fernsehdokumentation über ihre Vergangenheit beging sie 1994 Selbstmord.

In seinem Buch „Freispruch für Stella Goldschlag“, beschreibt der Autor Karl Alich, wie das Bundesverfassungsgericht von 2009 sagt, dass Juden in Deutschland als eine besondere Gruppe betrachtet werden, gegenüber der alle anderen eine moralische Verantwortung haben. Er fragt sich, ob es gegen die Persönlichkeitsrechte verstößt, wenn Stella Goldschlag als Jüdin als Symbol für den Massenmord der Nazis dargestellt wird. Es ist bekannt, dass die Nazis ihre Opfer in den Vernichtungsprozess hineingezwungen haben, aber der Fall von Stella Goldschlag als Denunziantin ist komplexer und weckt unterschiedliche Meinungen.

Karl Alich hat auf Entwicklungen in Theater und Literatur reagiert. Er hatte 2016 eine Produktion namens „Stella“ als das „blonde Gespenst vom Kurfürstendamm“ auf die Bühne der Neuköllner Oper gebracht, die jedoch weitgehend unbeachtet blieb. Im Jahr 2019 hatte Alich jedoch Strafanzeige gegen den Roman „Stella“ des Berliner Schriftstellers und „Spiegel“-Journalisten Takis Würger gestellt, mit dem Vorwurf der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach Paragraph 189 des Strafgesetzbuches. Die Anzeige hatte jedoch keine Auswirkungen und jetzt liegt eine Biografie von Alich über den Fall Goldschlag vor. Es ist das erste Buch des früheren Notars. In Würgers Roman hatte Alich kritisiert, dass es eine „banale Romanze im Dritten Reich“ sei und Stella Goldschlag es nicht verdient habe, „mit ihrem menschlichen Elend noch posthum ausgebeutet zu werden

Letztlich steht der Journalist Würger in einer fragwürdigen „Spiegel“-Tradition. Als im Januar 1979 der US-amerikanische Vierteiler „Holocaust“ ausgestrahlt wurde, Millionen Deutsche vor ihren Bildschirmen die Leidensgeschichte der Familie Weiss verfolgten, steuerte das Nachrichtenmagazin seine Sicht bei. „Holocaust: Der Judenmord bewegt die Deutschen“ lautete der Titel, das große Hinguckerfoto zeigte einen jungen, schnittigen SS-Mann mit Totenkopf-Abzeichen.

Der umstrittene Roman bekam den Euregio-Schüler-Literaturpreis

Mag sein, dass es in nachfolgenden Generationen eine Retro-Mix-Sehnsucht gibt, die die Nazi-Geschichte in Cabaret, Ufa-Glamour und Chi-Chi, mit smarten Bond-Typen und ins Mikrofon hauchenden Blondinen auflösen möchte. Aber in Zeiten, wo sonst alles auf politische Korrektheit oder kulturelle Aneignung hin befragt wird, sollte sich auch das Thema „Juden verraten Juden“ nicht mal schnell als Popularkultur ohne Kontextualisierung verramschen lassen. Es sollte nachdenklich stimmen, dass Würgers umstrittener Roman 2022 in Aachen den Euregio-Schüler-Literaturpreis erhalten hat. „200 Schüler*innen“ hätten abgestimmt, hieß es.

Karl Alich meidet alles Glamouröse, und hüllt seine literarische Fiktion stattdessen weitgehend in die deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte. Die Handlung beginnt im Januar 1956 mit Stella Goldschlags Entlassung aus dem Frauengefängnis Hoheneck in die real existierende DDR. In Goldschlags Erinnerungen lebt noch einmal die verwöhnte Kindheit in Berlin auf, 1926 spielte sie als Vierjährige an der Seite von Henny Porten im Film „Rosen des Südens“ mit. Beim Besuch einer „Mitropa“-Bahnhofsgaststätte geht es um die Kartoffelsuppe. „Als sie noch als Greiferin in Berlin unterwegs war, spielte sie die Rolle der ausgehungerten Jüdin, die darum bat, ihr eine Kartoffelsuppe auszugegeben. So lockte sie ihre Opfer in die Gaststätten um den Kurfürstendamm, in die Nähe eines Telefons.“ Während ihre Opfer auf die Kartoffelsuppe warteten, rief sie die Gestapo an.

Alich zeigt nur wenig Sympathie mit seiner Klientin. Er weist jedoch auf eine diskriminierende juristische Ungerechtigkeit in der bundesdeutschen Realität hin: Gestapoleute konnten sich vor Gericht auf die Verjährung ihrer Beihilfe zum Mord an den Juden berufen. Der Jüdin Stella Goldschlag blieb das verwehrt. Alich lässt seine Geschichte am 9. Oktober 1972 in Moabit enden. Stella Goldschlag wird nach Jahren freigesprochen, ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin bietet ihr an, offiziell die Opfer um Vergebung zu bitten. Alich sucht in der Tragödie nach Versöhnung.

  • Herausgeber ‏ : ‎ novum premium ein Imprint von novum publishing (28. November 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 228 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3991302047
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3991302049
  • Abmessungen ‏ : ‎ 12.7 x 1.42 x 20.32 cm

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