/ Dezember 28, 2022/ Ratgeber, Rehabilitation

Heinz Moser

Das Buch ‚Instrumentenkoffer‘ hat seit seiner ersten Ausgabe im Jahr 1997 eine deutliche Weiterentwicklung erfahren. Es ist nun mehr als doppelt so umfangreich geworden. Sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf das Format hat das Buch an Substanz gewonnen. In der ersten Ausgabe wurde es noch eher als theoretisch umrissene Sammlung von Forschungsmethoden wahrgenommen, während es nun als praxisnahe und fundierte Einführung in die Praxisforschung betrachtet werden kann. Es richtet sich an Fach- und Führungskräfte im Sozial- und Bildungsbereich, die empirische Zugriffe auf begrenzte Bereiche der Praxis planen und umsetzen möchten. Dennoch ist es möglicherweise noch zu früh, um es als ein ‚Lehrbuch für die Praxisforschung‘ zu bezeichnen, wie es in den Autorenangaben steht. In einer zukünftigen Auflage könnte die Basis der methodologischen und insbesondere methodischen Grundlagen weiter ausgebaut werden. Bis dahin kann den interessierten Leserinnen und Lesern jedoch das Buch ‚Grundlagen der Praxisforschung‘ von Moser aus dem Jahr 1995 empfohlen werden, auf das der Verfasser auch an einigen Stellen im Buch hinweist. In diesem Werk werden umfassendere methodologische und methodische Grundlagen behandelt. Der Verfasser des ‚Instrumentenkoffers‘ bringt darin auch seinen breiten Hintergrund zum Ausdruck, den er sich im Laufe vieler Jahre in der Diskussion um Handlungs- und Aktionsforschung sowie der Weiterentwicklung der Qualitativen Sozialforschung erworben hat.

Das Buch beginnt mit dem Motto ’small is beautiful…und weder naiv noch simple‘ und ermutigt die Leserinnen und Leser mit kurzen Projektbeispielen zur praxisorientierten Forschung mit begrenztem und umsetzbarem Ansatz. Dabei wird betont, dass eine regelgeleitete (oder wie es im Buch genannt wird: seriöse) Vorgehensweise nicht nur zu praktisch verwertbaren Ergebnissen führt, sondern auch zur gegenseitigen Verbindung von Wissenschaft und Praxis beiträgt, wie es von Moser beschrieben wird. Die Projekte werden illustriert, um die Konzepte und Ideen anschaulich zu vermitteln.

Im ersten Teil des Buches wird zunächst das grundlegende Verhältnis zwischen Wissenschafts- und Praxissystem im Hinblick auf ihre jeweiligen gesellschaftlichen Funktionen (unter Bezugnahme auf Luhmann) genauer untersucht. Besondere Anerkennung wird dabei der nicht unproblematischen Rolle jener Personen gezollt, die sich als Forscherinnen und Forscher im Grenzbereich zwischen Praxis und Wissenschaft bewegen, wobei sie Erfahrungen und Erkenntnisse von beiden Seiten einbringen.

Diese systemisch geprägte Perspektive, die einer positivistischen Herangehensweise gegenübergestellt wird, zieht sich durch die Kapitel, die sich mit den möglichen Qualitätskriterien der Praxisforschung, dem Verhältnis zwischen quantitativer und qualitativer Methodik in diesem Kontext, den Besonderheiten der Evaluation und den verschiedenen Arten praxisorientierter Forschung (Praxisuntersuchung, Evaluation und Aktionsforschung) befassen. Durch gut formulierte Zusammenfassungen, anschauliche Beispiele und kleine Aufgaben wird immer wieder erreicht, dass die besprochenen Themen gebündelt und in eine sinnvolle Beziehung zueinander gesetzt werden.

Nun wird es konkret: Moser präsentiert fünf „allgemeine Prinzipien der Forschungsplanung“, die wichtige Hinweise zur Zusammenstellung von Untersuchungsgruppen, zur Auswahl geeigneter Erhebungsmethoden, zur Rolle der Triangulation, zum Feedback der erhobenen Daten an die Betroffenen und zum Einsatz von Computern geben. An dieser Stelle wird jedoch der bereits erwähnte Unterschied zu einem ausführlichen ‚Lehrbuch‘ deutlich: Da die Informationen eher oberflächlich und knapp sind, entsteht hier kein umfassender Eindruck von der Komplexität, beispielsweise der Frage nach der Strategie zur Auswahl einer geeigneten Methode in einem kurzen Abschnitt von nur elf Zeilen.

Die weiteren Überlegungen zur Entwicklung einer Projektidee und zur Erstellung einer Projektskizze, einschließlich der Betrachtung der Relevanz verschiedener politischer Interessen und Forscherrollen, sind wichtig und überzeugend dargestellt. Ebenso wird die Auflistung der „zehn gröbsten Fehler von Anfängerinnen und Anfängern“ in der quantitativen und qualitativen Forschung als aufschlussreich präsentiert.

Im dritten großen Abschnitt des Buches werden verschiedene Methoden zur Datenerhebung sowie zur quantitativen und qualitativen Analyse behandelt. Jede Methode wird in Abschnitten von zwei bis fünf Seiten vorgestellt, und es werden auch wichtige Aspekte diskutiert, die bei ihrer effizienten Anwendung zu beachten sind. Dadurch wird das Buch zu einer Fundgrube für diejenigen, die diese Vorschläge für ihr eigenes Forschungsdesign anpassen oder übernehmen möchten. Die im Abschnitt zur quantitativen Datenanalyse eingeführten statistischen Verfahren sind zwar einfach, aber dennoch praktikabel, insbesondere für einfache Fragestellungen. Dennoch bleibt fraglich, ob es ohne vorhandenes statistisches Vorwissen oder externe Beratung möglich ist, diese Verfahren erfolgreich auf ein eigenes Projekt zu übertragen.

SMART ist heutzutage ein weit verbreitetes Akronym, das für verschiedene Konzepte verwendet wird. Auch Moser hat sich dieses Konzepts bedient, um zum Abschluss des Buches noch einmal fünf wichtige Merkmale und Vorteile der praxisorientierten Forschung zusammenzufassen. Es ist jedoch unverständlich, warum dem Buch in einem kleinen „Serviceteil“ ein „Frageraster für die Forschungsplanung“, zusätzliche Hinweise auf das Internet und einige didaktische Hinweise für Lehrende erst nach dem Literaturverzeichnis beigefügt wurden. Diese Überlegungen hätten an den entsprechenden Stellen im Text selbst sicherlich mehr Beachtung finden können.

Das Buch wird zusammen mit einer kostenlosen E-Book-Version angeboten, was eine zusätzliche Informationsquelle und Flexibilität für die Leserinnen und Leser bietet. Durch die Verfügbarkeit der E-Book-Version können sie das Buch auf verschiedenen Geräten lesen und jederzeit darauf zugreifen. Diese kostenfreie Ergänzung stellt sicher, dass die Leserschaft leicht auf den Inhalt zugreifen und von den Informationen im Buch profitieren kann.

Dieses Buch ist nicht nur inhaltlich, sondern auch didaktisch äußerst empfehlenswert. Es schafft eine gelungene Balance zwischen Komplexität und Übersichtlichkeit sowie zwischen Differenziertheit und Klarheit. Dadurch eignet es sich nicht nur für Fach- und Führungskräfte, um eigene Ansätze anzuleiten und zu begleiten, sondern es kann auch in der grundlegenden Ausbildung an Hochschulen effektiv eingesetzt werden. Es behandelt nicht nur Grundlagenwissen, sondern auch die Anwendung von Methoden in praxisorientierter sozialwissenschaftlicher Forschung. Der Autor hat die Hoffnung geäußert, dass solche Beiträge zu einer Annäherung zwischen Wissenschaft und Praxis beitragen können, und diese Hoffnung ist durchaus gerechtfertigt.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Lambertus
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 276 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3784134130
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3784134130
  • Abmessungen ‏ : ‎ 15.1 x 2 x 21.1 cm

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