/ Dezember 13, 2024/ Buch

Das Buch „Rembrandts Amsterdam: Goldene Zeiten?“, herausgegeben von Jochen Sander, beleuchtet die Glanzzeit Amsterdams im 17. Jahrhundert – eine Epoche, die geprägt war von großem Wohlstand, kultureller Blüte, aber auch sozialen und moralischen Herausforderungen. Es begleitet die Ausstellung im Städel Museum in Frankfurt (27. November 2024 bis 23. März 2025) und zeigt die vielen Facetten dieser „goldenen“ Ära.

Amsterdam im 17. Jahrhundert: Aufstieg zur Weltmetropole

Im 17. Jahrhundert stieg Amsterdam zu einer der bedeutendsten Städte Europas auf. Die niederländische Hauptstadt erlebte eine wirtschaftliche und kulturelle Hochphase. Handel, Kunst und Wissenschaft florierten. Die Bevölkerung wuchs rasch, und mit ihr die Bedeutung einer wohlhabenden Bürgerschaft, die die Geschicke der Stadt lenkte. Diese Elite zeigte ihren Wohlstand und ihre Macht durch prachtvolle Gruppenporträts, die von den besten Malern der Zeit geschaffen wurden. Vor allem Rembrandt, einer der größten Künstler der niederländischen Kunstgeschichte, spielte dabei eine zentrale Rolle.

Gruppenporträts waren ein besonderes Phänomen dieser Zeit. Sie dienten nicht nur als Erinnerungsstücke, sondern auch als Ausdruck von Prestige und Macht. In Amsterdam, mehr als in jeder anderen Stadt, spiegeln sie die Stärke und den Einfluss einer selbstbewussten Bürgergesellschaft wider. Besonders beliebt waren Porträts von Schützengilden und Regenten sozialer Einrichtungen. Diese Bilder zeigten die Elite in all ihrer Pracht – doch das gesellschaftliche Gefüge hinter diesen Darstellungen war komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

Die Schattenseiten des „goldenen“ Zeitalters

Neben dem Glanz der Kunst und des wirtschaftlichen Erfolgs zeigt das Buch auch die dunklen Seiten dieser Blütezeit. Der Wohlstand der Stadt gründete auf einer streng hierarchischen Gesellschaftsordnung und einer kolonialistischen Handelspolitik. Die niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) trug maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg bei, doch sie baute auf Ausbeutung, Sklaverei und rücksichtsloser Expansion.

Während die reiche Elite sich in den prächtigen Porträts verewigte, lebten viele Menschen in Armut und am Rande der Gesellschaft. Bettler, Bedürftige und Vagabunden waren ein alltäglicher Anblick. Rembrandts Radierungen fangen das Leben dieser Menschen in beeindruckender Weise ein und geben ihnen eine Stimme in einer Gesellschaft, die sie oft ignorierte. Auch die Zuchthäuser der Stadt, in denen „unliebsame“ Mitglieder der Gesellschaft diszipliniert werden sollten, spiegeln die sozialen Abgründe jener Zeit wider.

Die Ausstellung: Einblicke in Amsterdams Glanzzeit

Die Ausstellung im Städel Museum präsentiert etwa 100 Kunstwerke, darunter Gemälde, Skulpturen, Druckgrafiken und kulturhistorische Gegenstände. Die meisten Leihgaben stammen aus dem Amsterdam Museum, das derzeit renoviert wird, und sind selten außerhalb der Niederlande zu sehen. Neben den Werken Rembrandts und seiner Zeitgenossen sind auch Alltagsgegenstände ausgestellt, die einen lebendigen Eindruck vom Leben in der Stadt vermitteln.

Diese umfassende Schau ermöglicht es, die Kunstwerke nicht nur als ästhetische Meisterwerke zu betrachten, sondern sie auch in ihren historischen Kontext einzuordnen. Sie zeigt, wie die Kunst als Spiegel einer pluralen Gesellschaft diente – einer Gesellschaft, die von Reichtum und Ungleichheit, Macht und Ohnmacht, Glück und Verderben geprägt war.

Der Ausstellungskatalog: Einblicke und Analysen

Der Katalog zur Ausstellung, erschienen im Hirmer Verlag, ist reich bebildert und bietet eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas. In etwa einem Dutzend Essays analysieren renommierte Kunsthistoriker*innen die Gruppenporträts als Ausdruck der Amsterdamer Machtverhältnisse. Sie zeigen, wie diese Bilder die soziale Hierarchie, den Stolz der Bürgerschaft und ihre Selbstinszenierung widerspiegeln.

Darüber hinaus widmen sich die Essays auch den dunklen Aspekten der Zeit, wie der kolonialistischen Ausbeutung und den sozialen Spannungen innerhalb der Stadt. Ergänzt wird der Band durch ein Glossar und eine umfangreiche Bibliographie, die weitere Einblicke in das Thema ermöglichen.

Faszinierend und vielschichtig

„Rembrandts Amsterdam: Goldene Zeiten?“ ist ein beeindruckendes Buch, das die Glanzzeit Amsterdams im 17. Jahrhundert auf lebendige und tiefgründige Weise beleuchtet. Die Herausgeber schaffen es, nicht nur die Pracht und den Wohlstand dieser Ära zu zeigen, sondern auch ihre Schattenseiten, wie die sozialen Ungleichheiten und die kolonialistische Handelspolitik, kritisch darzustellen. Besonders gelungen ist die Verbindung zwischen Kunst und Geschichte: Die prachtvollen Gruppenporträts, allen voran Rembrandts Werke, werden als Spiegel einer selbstbewussten und mächtigen Bürgerelite präsentiert.

Die Essays sind klar und verständlich geschrieben, bieten aber gleichzeitig wissenschaftliche Tiefe. Die großformatigen Abbildungen der Kunstwerke und Alltagsgegenstände machen das Buch zu einem visuellen Genuss. Der Katalog ist eine perfekte Ergänzung zur Ausstellung und eine Bereicherung für Kunst- und Geschichtsinteressierte. Ein rundum gelungenes Werk, das zum Nachdenken anregt und inspiriert. Absolut empfehlenswert!

  • Herausgeber ‏ : ‎ Hirmer Verlag GmbH (1. November 2024)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 288 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3777444081
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3777444086
  • Abmessungen ‏ : ‎ 23.2 x 2.4 x 28.1 cm
  • 1,4 kg
  • 49,90 Euro

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