/ September 12, 2023/ Romane

Max Richard Leßmann

Das ungewöhnliche Buchcover zeigt einen brennenden Strandkorb, was normalerweise mit unbeschwerten Urlaubserinnerungen assoziiert wird. Doch hier symbolisiert es wohl das Ende von Max‘ gemeinsamen Urlauben mit seinen Großeltern, obwohl dieses Motiv im Buch nicht vorkommt. Der Titel „Sylter Welle“ verweist auf ihre Ferienwohnung und die damit verbundenen Erinnerungen auf Sylt.

Max Richard Leßmann, ein aufstrebender Sänger und Liedtexter, hat bereits einen Gedichtband mit dem Titel „Liebe in Zeiten der Follower“ veröffentlicht. Nun bricht er in die Welt der Romane auf, und sein erster Roman trägt den Titel „Sylter Welle“. Der Protagonist Max, der starke Parallelen zum Autor aufweist, begibt sich auf eine dreitägige Reise nach Sylt. Über zwei Jahrzehnte hinweg hat er hier seine Sommerferien mit seinen Großeltern Lore und Ludwig verbracht, in deren Wohnwagen auf dem Campingplatz von Wenningstedt. Doch der Wohnwagen gehört mittlerweile der Vergangenheit an, und die Großeltern sind gealtert. Max plant einen Besuch in ihrer Ferienwohnung, um ihren letzten gemeinsamen Sylt-Urlaub zu erleben.

Von Anfang an spürt man eine melancholische Stimmung, wenn Max von seinem geplanten Besuch berichtet. Sein fast 90-jähriger Großvater Ludwig zeigt Anzeichen des Alters, obwohl er dies mit seinem trockenen Humor zu überspielen versucht. Max kann nicht länger ignorieren, dass die Großeltern, die in seiner Wahrnehmung jahrelang unverändert geblieben sind, nun der Realität des Alterns gegenüberstehen, und das macht ihm Angst.

In dieser Atmosphäre der Wehmut beginnt Max, sich an vergangene Zeiten zu erinnern. Er teilt zahlreiche Geschichten aus dem Familienleben, die größtenteils humorvoll und unterhaltsam sind. Der Autor vermeidet dabei gekonnt, alles zu romantisch zu idealisieren. Besonders seine Großmutter Lore, zu der er eine besonders enge Bindung hat, wird als eigensinnige Frau mit strengen Regeln beschrieben. Sie wird als eine Art „Feldherrin“ dargestellt, die die ganze Familie im Griff hat, außer seiner Mutter, die sich als „unbeugsames gallisches Dorf“ gegen sie auflehnt. Doch Lore verteidigt ihren eigenen Lebensstil, der von Industriezucker und Maggi Fondor geprägt ist, gegenüber der gesundheitsbewussten Mutter ihres Enkels.

Das Essen nimmt eine zentrale Rolle in dieser Generation von Großeltern ein, die den Krieg und Flucht erlebt haben, wie es bei Opa Ludwig der Fall war. Jeder wird hier großzügig bewirtet, unabhängig davon, ob man mit ihm gut auskommt oder nicht. In dieser Ära ist es eine der höchsten Anerkennungen, als „guter Esser“ bezeichnet zu werden. Der Autor ist stolz darauf, dass er vielleicht keine akademischen Titel hat, aber in der Welt seiner Großeltern ist er ein Meister im Essen, und das wird mindestens genauso geschätzt, wenn nicht sogar mehr.

Auch andere Familienmitglieder, darunter seine Eltern, zahlreiche Onkel, Tanten und Cousins mit ihren Eigenarten und Schwächen, treten in den Erinnerungen des Autors auf. Dabei stellt er sich die Frage, ob er diese Menschen genauso mögen würde, wenn er nicht mit ihnen verwandt wäre. Bei einem ist er sich jedoch sicher: Onkel Jacob, der seine Liebe zur Musik entfacht hat. Doch tragischerweise erkrankt und stirbt Onkel Jacob, der jüngere Bruder seines Vaters, kurz darauf.

In „Sylter Welle“ werden alltägliche Familienleben in verschiedenen lebendigen Episoden beschrieben, das vielen Lesern aus ihren eigenen Erfahrungen bekannt sein dürfte. Max Richard Leßmann erzählt diese Geschichten so lebhaft, dass die Lektüre pure Freude bereitet. Er findet einen eigenen, gleichzeitig humorvollen und herzerwärmenden Ton. Sein Buch ist nicht nur ein Familienporträt, sondern vor allem eine liebevolle Huldigung an seine Großeltern, die ihm gezeigt haben, dass Liebe trotz unterschiedlicher Meinungen möglich ist.

Nach drei Tagen kehrt der Erzähler nach Hause zurück, wissend, dass dies wohl seine letzten Ferientage mit den Großeltern waren. Der letzte Satz erinnert an ein geliebtes Bilderbuch seines Vaters und dessen Held, der Namensgeber für den Erzähler wurde: „Bis hin in mein Zimmer, wo es Nacht ist und das Essen auf mich wartet. Und es ist noch warm.“

Die Insel Sylt spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle, mit dem Meer, den Wellen und vor allem dem Sand, der sowohl den jungen als auch den erwachsenen Max fasziniert, trotz schmerzlicher Erinnerungen. „Sylter Welle“ ist somit auch ein Buch für diejenigen, die diese Nordseeinsel lieben, und es zeigt, dass auf dieser Insel, die oft mit Schönheit und Reichtum assoziiert wird, auch Platz für ganz normale Menschen ist. Zum Einstimmen auf die unterhaltsame Lektüre gibt es sogar einen Song zum Buch, den der Autor selbst singt: „Bis Sylt im Meer versinkt“.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Kiepenheuer&Witsch; 2. Edition (17. August 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 224 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3462004042
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3462004045
  • Abmessungen ‏ : ‎ 12.3 x 2.25 x 19.5 cm

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