/ Oktober 2, 2023/ Biografien

H. Kevin Miserocchi

Als Chas Addams im Jahr 1938 seinen ersten Cartoon mit einem Mitglied seiner unkonventionellen Familie präsentierte, konnte er wohl kaum erahnen, dass dies sein Leben nachhaltig beeinflussen würde. Die skurrile Kernfamilie von Addams erhielt im Laufe der Jahrzehnte Zuwachs, wobei zu Morticia und Gomez die eigenartigen Kinder Wednesday und Pugsley, sowie Großmutter Frump und Onkel Fester stießen. Der stumme Butler Lurch war von Anfang an Teil dieser eigenwilligen Familie.

Zwischen 1938 und 1988 wurden insgesamt nur etwa 150 Cartoons veröffentlicht, hauptsächlich im Zeitraum von 1941 bis 1963. Diese vergleichsweise geringe Anzahl erklärt jedoch nicht den langanhaltenden Erfolg. Dieser setzte erst 1963 mit der Fernsehserie „The Addams Family“ ein, die Chas Addams bis ins kleinste Detail selbst kreierte. Er verfasste die Drehbücher ohne Einmischung, entwarf Kostüme und malte sogar die Kulissen. Der Erfolg setzte sich durch zahlreiche Werbeaufträge und erfolgreiche Sammelbände fort, jedoch erlebte Chas Addams die Kinoverfilmungen nicht mehr.

„Das Familienalbum“ versammelt nicht nur alle 150 bekannten Cartoons, sondern auch fast genauso viele Bleistiftentwürfe aus dem Nachlass von Addams, einige davon bislang unveröffentlicht. Diese sind keine ausgearbeiteten Zeichnungen, sondern Skizzen, die jedoch mindestens genauso bissig sind wie die veröffentlichten Werke. Bei einigen dieser Skizzen hatte man den Eindruck, dass Chas Addams sie selbst in seinem moralischen Giftschrank aufbewahrt hatte. Zusätzlich stammt ein umfangreiches Bildmaterial aus Werbecartoons und Buchtiteln.

Die begleitenden Texte sind äußerst informativ und für das Verständnis einiger Szenen unabdingbar, da sie sich mit zeitgenössischen Ereignissen oder biografischen Hintergründen befassen, die heute möglicherweise weniger bekannt sind. Bei einigen wenigen Cartoons konnte der Rezensent die Pointe nicht vollständig erfassen, wobei jedoch nicht ausgeschlossen ist, dass ein Detail übersehen wurde. Addams‘ Humor liegt oft in winzigen Details im Bild verborgen, was typisch für seinen Stil ist. Es lohnt sich daher, in jeder Szene nach den versteckten Nuancen zu suchen. Der Grad der moralischen Abweichung von der Norm, den Addams mit der Liebenswürdigkeit eines Zimmerkellners präsentiert, ist teilweise geradezu atemberaubend. Bedenkt man, dass diese Cartoons um 1940 entstanden, wird die kühne Herangehensweise noch deutlicher. Kinder, die darum wetteifern, wer den anderen zuerst vergiftet, Eltern, die um Mitternacht zu einem entspannten Spaziergang auf dem Friedhof aufbrechen, und ein Onkel Fester, der die Spitzen des Gartenzauns sorgfältig nachschärft, während die Nachbarn ihre Rosen schneiden – das alles war zu der Zeit gewagt und wäre es heute noch. Addams zelebriert dabei die Andersartigkeit als eine andere Form von Normalität. Wednesday und Pugsley nehmen ihre Mordversuche nicht als Vergehen wahr, sondern genießen sie und haben dabei ihren Spaß. Wenn Gomez seine Frau fragt: „Bist du unglücklich?“ und sie antwortet: „Ja, Schatz, wunschlos unglücklich!“, ist dies nicht als Klage gemeint.

Chas Addams‘ eigenwilliger Humor funktioniert auch nach 80 Jahren immer noch in weiten Teilen, denn Humor hat stets etwas mit dem Brechen von Tabus zu tun. Die Tabus, mit denen die Addams Family jongliert, sind zeitlos, und daher besteht kein Zweifel, dass dieser Humor auch für die nächsten 80 Jahre relevant bleiben wird.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Kunstmann, A; 1. Edition (12. Oktober 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 224 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3956145674
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3956145674
  • Originaltitel ‏ : ‎ The Addams Family. An Evilution
  • Abmessungen ‏ : ‎ 20.9 x 2.3 x 25.9 cm

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