In ihrem Buch „ZeitenWenden“ beschreibt Ulrike Guérot auf eindringliche und kritische Weise, wie stark sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahren verändert hat. Sie beobachtet eine Zeit, in der alte Gewissheiten nicht mehr gelten und Orientierung schwerfällt. In kurzen, prägnanten Kapiteln wirft sie einen Blick auf die geistige Verfassung unserer Gegenwart – also darauf, wie wir heute denken, fühlen, handeln und miteinander umgehen.
Gesellschaft im Wandel – alles ist durcheinander
Guérot beginnt mit der Feststellung, dass unsere Gesellschaft immer stärker polarisiert ist. Das bedeutet: Die Menschen sind sich in vielen Fragen uneinig, oft sogar extrem gegensätzlicher Meinung. Die traditionellen politischen Lager – rechts, links, konservativ, liberal – sind für viele kaum noch klar zu unterscheiden. Was früher „links“ war, wirkt heute oft „rechts“, und wer sich als liberal versteht, meint heute oft etwas ganz anderes als noch vor einigen Jahren.
Sie sagt: Konservative Werte wie Verantwortung oder Maßhalten haben kaum noch Platz. Und liberale Ideen wie Freiheit oder Meinungsvielfalt weichen einem neuen Denken, in dem Sicherheit und Kontrolle wichtiger erscheinen. Das führt dazu, dass viele sich nicht mehr vertreten fühlen – weder in der Politik noch in den Medien.
Wahrheit und Wirklichkeit – kaum noch zu erkennen
Ein zentrales Thema des Buches ist der Verlust von Wahrheit und Vertrauen. Guérot beschreibt eine Welt, in der Lügen („Fake News“) oft mehr Aufmerksamkeit bekommen als Tatsachen. Menschen glauben eher das, was sich gut anhört oder zur eigenen Meinung passt – unabhängig davon, ob es stimmt. Wer die Wahrheit sagt, wird oft nicht gehört oder sogar angegriffen.
Gleichzeitig geht es immer weniger um Inhalte, also um das, was jemand wirklich sagt oder tut. Stattdessen zählt oft nur noch die Form: Wie etwas aussieht, wie es verpackt ist, wie es sich anfühlt. Das führt dazu, dass in Diskussionen oft nicht mehr wirklich zugehört wird.
Die Rolle der Demokratie – in der Krise
Guérot zeichnet das Bild einer Demokratie, die immer schwächer wird. Die öffentliche Debatte – also das Gespräch über wichtige Themen – ist aus ihrer Sicht kaputt. Das, was früher „Privatsache“ war, wird heute öffentlich gemacht (zum Beispiel persönliche Meinungen oder Gefühle in sozialen Medien). Und umgekehrt mischt sich die Öffentlichkeit immer stärker in das Private ein – etwa durch Überwachung oder Meinungsdruck.
Sie schreibt auch über die Europäische Union (EU) und kritisiert, dass sie in ihrer aktuellen Form keine echte Friedensgemeinschaft mehr sei. Statt für Zusammenhalt zu sorgen, entferne sich die EU von ihren eigenen Idealen – etwa in der Haltung zum Krieg oder zur Flüchtlingspolitik.
Schuldfrage – nicht links oder rechts, sondern oben
Ein besonders wichtiger Gedanke Guérots ist: Die eigentliche Spaltung verläuft nicht zwischen rechts und links, sondern zwischen oben und unten. Das bedeutet: Das Problem liegt nicht so sehr in der politischen Richtung, sondern in der Ungleichheit zwischen Macht und Ohnmacht. Wer oben ist – also politische oder wirtschaftliche Macht hat – trifft Entscheidungen, von denen viele Menschen nicht profitieren.
Diese Kluft sorgt dafür, dass sich viele Menschen nicht mehr gehört oder gesehen fühlen. Das wiederum fördert Frust, Misstrauen und radikale Meinungen. Guérot sieht darin eine der größten Gefahren für unsere Gesellschaft: Wenn sich zu viele Menschen ausgeschlossen fühlen, kann die Demokratie nicht mehr funktionieren.
Fazit – das Ende einer Ära?
Am Ende des Buches steht die Frage: Wohin führt uns dieser Wandel? Guérot ist überzeugt, dass die liberale Gesellschaft – so wie wir sie kennen – an einem Endpunkt angekommen ist. Das bedeutet nicht zwangsläufig das Ende von Freiheit oder Demokratie, aber es heißt, dass wir neue Wege finden müssen, wie wir gemeinsam leben und entscheiden wollen.
Sie ruft dazu auf, wieder echte Debatten zu führen – nicht nur in Talkshows oder Online-Kommentaren, sondern im Alltag, unter Freunden, in der Familie. Wir brauchen aus ihrer Sicht wieder mehr Mut zur Wahrheit, mehr Respekt für unterschiedliche Meinungen und mehr Bewusstsein dafür, dass Demokratie mehr ist als ein Wahlergebnis.
„ZeitenWenden“ ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt. Es ist kein einfaches Sachbuch mit klaren Lösungen, sondern eine kritische Bestandsaufnahme unserer Zeit. Ulrike Guérot zeigt auf, wo es klemmt – politisch, gesellschaftlich und geistig. Sie fordert uns heraus, nicht alles als selbstverständlich hinzunehmen, sondern Fragen zu stellen: Wie wollen wir leben? Was ist uns wichtig? Und was müssen wir ändern, damit wir wieder zusammenfinden – als Gesellschaft und als Menschen?
- Herausgeber : Westend
- Erscheinungstermin : 19. Mai 2025
- Auflage : 1.
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 224 Seiten
- ISBN-10 : 3864894859
- ISBN-13 : 978-3864894855
- Abmessungen : 13.1 x 2.1 x 20.7 cm
- 24 Euro