/ November 11, 2025/ Buch, Rehabilitation

Das Buch „Gewalt von und an psychisch Kranken“ von Herbert Knappe beschäftigt sich mit einem sehr schwierigen, aber wichtigen Thema: dem Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen – besonders mit Krankheiten aus dem schizophrenen Formenkreis. Knappe zeigt, dass dieses Thema in unserer Gesellschaft oft tabuisiert wird. Viele Menschen möchten nicht darüber sprechen, weil sie Angst haben, psychisch Kranke dadurch zu stigmatisieren – also sie in ein schlechtes Licht zu rücken oder Vorurteile zu verstärken.

Doch gerade dieses Schweigen hat Folgen. Wenn man über Gewalt und psychische Krankheit nicht offen spricht, wird Betroffenen, Angehörigen und der Gesellschaft nicht ausreichend geholfen. Menschen, die in einer psychischen Krise gewalttätig werden, bekommen oft zu spät oder zu wenig Unterstützung. Auch ihre Familien stehen häufig allein da und wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

Herbert Knappe ist selbst erfahrener Psychiater und hat viele Jahre mit psychisch kranken Menschen gearbeitet. Er kennt die Realität in Kliniken, aber auch die Ängste und Sorgen der Angehörigen. In seinem Buch geht er der Frage nach, wie man sowohl die Rechte und Bedürfnisse der Erkrankten als auch den Schutz der Gesellschaft in Einklang bringen kann. Er will Wege aufzeigen, die jenseits von Angst, Schuldzuweisungen und Vorurteilen liegen.

Ein zentraler Punkt seines Buches ist das sogenannte „Dilemma der Psychiatrie“. Dieses Dilemma entsteht, weil Psychiatrie oft zwei widersprüchliche Aufgaben erfüllen soll: Einerseits soll sie die Gesellschaft schützen, wenn jemand aufgrund seiner Krankheit gefährlich ist. Andererseits soll sie den Erkrankten helfen und sie heilen oder stabilisieren. Diese beiden Ziele – Sicherung und Besserung – sind schwer miteinander zu vereinbaren, vor allem in forensisch-psychiatrischen Kliniken, also in Einrichtungen, in denen Menschen untergebracht werden, die in einer psychischen Erkrankung eine Straftat begangen haben.

Knappe beschreibt, dass in diesen Einrichtungen häufig eine Spannung herrscht: Einerseits sollen die Patienten dort sicher untergebracht sein, andererseits sollen sie in ihrer Heilung gefördert werden. In der Praxis ist das schwierig, denn Sicherheit und Therapie erfordern oft ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Der Autor zeigt, wie sich daraus Probleme für Patienten, Angehörige und das Personal ergeben.

Er wirft auch einen Blick auf die Geschichte der Psychiatrie, um zu verstehen, wie sich der heutige Umgang mit psychisch kranken Menschen entwickelt hat. Dabei wird deutlich, dass viele Vorurteile und Ängste aus früheren Zeiten noch immer in unseren Köpfen stecken. Früher wurden psychisch Kranke oft eingesperrt, versteckt oder als gefährlich dargestellt. Heute hat sich zwar viel verändert, doch der Umgang mit psychisch kranken Gewalttätern bleibt schwierig.

Knappe fordert deshalb ein offeneres und differenzierteres Denken. Nicht jeder, der an einer psychischen Erkrankung leidet, ist gefährlich – und nicht jede Form von Gewalt bei psychisch Kranken hat dieselben Ursachen. Wichtig sei es, frühzeitig zu helfen, bevor es zu gefährlichen Situationen kommt. Dazu gehören bessere Aufklärung, mehr Unterstützung für Angehörige und ein System, das nicht erst eingreift, wenn etwas Schlimmes passiert ist.

Er betont außerdem, dass auch psychisch Kranke selbst Opfer von Gewalt werden – sei es durch Ausgrenzung, Missverständnisse oder in Institutionen, in denen sie sich ausgeliefert fühlen. Gewalt findet also nicht nur von psychisch Kranken, sondern auch an ihnen statt. Der Autor zeigt, wie wichtig es ist, beide Seiten zu sehen und einen respektvollen, menschlichen Umgang zu fördern.

Am Ende bietet Herbert Knappe konkrete Lösungsansätze. Er schlägt vor, die Psychiatrie so zu gestalten, dass Sicherheit und Therapie nicht als Gegensätze betrachtet werden müssen. Dazu braucht es gut ausgebildetes Personal, mehr Zeit für Gespräche, weniger Zwang und mehr Verständnis für die Lebenswirklichkeit der Erkrankten. Nur so kann es gelingen, Menschen in Krisen zu schützen – und zugleich ihre Würde zu bewahren.

Gewalt von und an psychisch Kranken“ ist kein leichtes Buch, aber ein sehr wichtiges. Es hilft, besser zu verstehen, wie komplex psychische Erkrankungen und ihre Folgen sind. Herbert Knappe schreibt sachlich, aber auch mit Mitgefühl. Er zeigt, dass es möglich ist, über Gewalt zu sprechen, ohne Vorurteile zu schüren – und dass echte Hilfe nur dann entstehen kann, wenn man hinsieht statt wegzuschauen.

Dieses Buch richtet sich an Fachleute aus der Psychiatrie, an Studierende, aber auch an interessierte Laien, Angehörige und alle, die wissen wollen, wie man mit diesem sensiblen Thema verantwortungsvoll umgehen kann. Es macht Mut, neue Wege zu denken – Wege, die Menschlichkeit und Sicherheit miteinander verbinden.

Ein äußerst wichtiges und zugleich berührendes Buch! Herbert Knappe beleuchtet ein sensibles Thema mit großem Fachwissen und menschlicher Wärme. Er zeigt Wege, wie Psychiatrie menschlicher und zugleich sicherer werden kann. Ein kluges, mutiges Werk, das zum Nachdenken anregt und Hoffnung macht.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Mabuse
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 6. Dezember 2024
  • Auflage ‏ : ‎ 1.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 117 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3863217381
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3863217389
  • Abmessungen ‏ : ‎ 21 x 14.8 x 1.5 cm
  • 17 Euro

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