/ Oktober 13, 2025/ Buch, Romane

In seinem ersten Roman erzählt Andreas Rainer – bekannt durch seine feinen, poetischen Beobachtungen des Alltags – eine leise, nachdenkliche Geschichte über das Verschwinden, das Sich-Verlieren und das Wiederfinden im eigenen Leben. Der Autor, der bisher vor allem durch kurze Texte über das Stadtleben in Wien bekannt war, legt mit Der Flügelschlag des Paarfalters ein Werk vor, das zugleich eine Liebeserklärung an die Stadt Wien und eine Reise zu sich selbst ist.

Eine Entscheidung, die alles verändert

Die Geschichte beginnt mit einer kleinen, aber alles entscheidenden Handlung:
Jonas, ein Mann Mitte dreißig, steht am Flughafen. Er soll beruflich in die USA fliegen – alles ist geplant, sein Leben scheint auf Schienen zu laufen. Doch im letzten Moment dreht er um. Kein großer Knall, kein Drama. Einfach ein Schritt zur Seite, ein „Nein“ zum gewohnten Lauf der Dinge.

Er verschwindet – nicht für die Welt, sondern für sich selbst. Niemand scheint ihn zu vermissen. Nur er selbst spürt plötzlich die Leere, die Frage: Wer bin ich eigentlich, wenn ich aufhöre, das zu tun, was von mir erwartet wird?

Ein Spaziergang durch Wien – und durchs Leben

Jonas’ Weg führt ihn quer durch Wien. Er läuft ohne Ziel durch Straßen, Kaffeehäuser und Parks, über Brücken und Hügel. Er begegnet Menschen – Fremden, Freunden, alten Bekannten. Jeder von ihnen trägt eine eigene Geschichte in sich: ein Liebespaar, das sich beim Streiten näherkommt; ein alter Mann, der jeden Tag den gleichen Kaffee trinkt; eine junge Frau, die davon träumt, einfach zu verschwinden.

Durch diese Begegnungen erkennt Jonas Stück für Stück etwas über sich selbst. Wien wird in Rainers Erzählung zum Spiegel seiner inneren Welt – mal laut und unübersichtlich, mal still und voller Zauber. Die Stadt atmet, spricht, beobachtet.

Vom Glück des Verschwindens

Rainers Sprache ist einfach, poetisch und tief zugleich. Er beschreibt keine großen Ereignisse, sondern die leisen Momente, die wir oft übersehen: das Licht, das auf eine Hauswand fällt, den Geruch von Regen auf Asphalt, das Rascheln eines Blattes im Wind.

Jonas’ „Verschwinden“ wird dabei zu etwas Heilsamem. Es ist kein Fluchtversuch, sondern ein Neuanfang im Stillen. Der Roman zeigt, dass man manchmal erst verloren gehen muss, um sich wirklich zu finden.

Der Titel – Der Flügelschlag des Paarfalters – ist ein Symbol für diese zarte Veränderung. So wie der Flügelschlag eines Schmetterlings kaum hörbar, aber doch wirkungsvoll ist, können auch kleine Entscheidungen das ganze Leben in Bewegung setzen.

Eine Liebeserklärung an Wien – und das Leben selbst

Andreas Rainer fängt das Wesen Wiens ein: die Melancholie, die Humor, das Granteln und das Leben zwischen Kaffee und Kontemplation. Seine Figuren sind keine Helden, sondern Menschen, wie man sie jeden Tag auf der Straße treffen könnte – manchmal komisch, manchmal traurig, immer echt.

Zwischen all dem schwingt eine große Frage mit: Muss das Leben überhaupt einen Sinn haben?
Rainer gibt keine Antwort, sondern lädt zum Nachdenken ein. Er schreibt:

„Wundert sich ein Regenwurm jeden Tag darüber, warum er auf der Welt ist? Hinterfragt das Wetter jemals seinen Daseinszweck? Das Leben ist ein einzigartiges Wunder.“

Diese Zeilen fassen die Haltung des Buches zusammen: Das Leben muss nicht erklärt werden. Es will gefühlt, gesehen, gelebt werden.

Stil und Wirkung

Rainers Schreibstil erinnert an feine Tagebuchnotizen, an Spaziergänge im Kopf. Seine Sprache ist leicht verständlich, aber voller Tiefe. Er verbindet poetische Bilder mit alltäglichen Beobachtungen. Oft scheint es, als würde man seine Texte hören – als spräche jemand leise neben einem, während man durch die Stadt geht.

Die Geschichte ist ruhig, beinahe meditativ. Sie lebt nicht von Spannung oder Handlung, sondern von Stimmungen, Gedanken und Begegnungen. Doch genau darin liegt ihre Kraft: Sie führt den Leser zu einem Gefühl der inneren Ruhe, zu einer neuen Sicht auf das Leben.

Fazit

Der Flügelschlag des Paarfalters ist ein besinnlicher, kluger und herzlicher Roman über das Menschsein. Er erzählt vom Mut, auszusteigen, wenn alles zu schnell wird, und vom Glück, sich selbst wiederzufinden – ganz ohne großen Plan.

Es ist ein Buch für alle, die schon einmal das Gefühl hatten, nicht mehr ganz bei sich zu sein. Für alle, die das Alltägliche lieben und darin das Besondere entdecken möchten. Und für alle, die wissen, dass manchmal ein einziger, sanfter Flügelschlag genügt, um alles zu verändern.

Ein wunderbar poetischer Roman! Der Flügelschlag des Paarfalters berührt mit leisen Tönen und tiefen Gedanken über das Leben, das Verschwinden und das Wiederfinden. Andreas Rainer fängt Wien und seine Menschen mit viel Wärme und feinem Humor ein – ein Buch, das nachhallt und zum Innehalten einlädt. Einfach schön und sehr empfehlenswert!

  • Herausgeber ‏ : ‎ Goldegg Verlag GmbH
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 27. September 2025
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 208 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3990605313
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3990605318
  • Abmessungen ‏ : ‎ 12.9 x 2.5 x 20 cm
  • 22 Euro

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*