/ November 3, 2025/ Buch, Sachbuch

Wenn es in der Kirche kracht, dann meistens richtig – und selten hat jemand dieses Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne so klug, leidenschaftlich und sprachgewaltig beschrieben wie Martin Mosebach. Mit seiner berühmten Schrift „Häresie der Formlosigkeit“ hat der vielfach ausgezeichnete Autor einen echten Klassiker geschaffen – und nun erscheint sie in einer erweiterten Neuausgabe, die aktueller ist denn je.

Mosebach ist kein Mann der halben Töne. Er spricht aus, was viele denken, sich aber nicht trauen zu sagen: dass mit der Reform der katholischen Liturgie in den 1960er-Jahren ein Stück Tiefe, Schönheit und Feierlichkeit verloren gegangen ist. Das Zweite Vatikanische Konzil wollte die Kirche öffnen, moderner machen, näher an die Menschen heranführen – doch Mosebach stellt die unbequeme Frage: War das vielleicht auch der Anfang einer Entfremdung?

Ein leidenschaftliches Plädoyer für die alte Liturgie

In seinem Buch verteidigt Mosebach die alte römische Liturgie, wie sie über Jahrhunderte gefeiert wurde – in Latein, mit feierlichen Gesten, Symbolen und Riten, die für ihn das Herz des Glaubens sind. Er beschreibt mit viel Sachkenntnis und einer fast poetischen Sprache, warum diese Form des Gottesdienstes mehr ist als bloße Tradition: Sie ist ein Erlebnis des Heiligen, eine Begegnung mit dem Geheimnis.

Dabei geht es ihm nicht um Nostalgie, sondern um das Wesen des Glaubens selbst. Für Mosebach ist der Ritus kein bloßes Beiwerk, sondern das, was den Glauben überhaupt erst sichtbar und spürbar macht. Seine Überzeugung: Ohne Form verliert der Glaube seine Kraft. Der Ritus, so schreibt er, ist wie eine Brücke zwischen Himmel und Erde – etwas, das Menschen über Jahrhunderte verbunden hat und das heute mehr denn je fehlt.

Ein Autor, der aneckt – und gerade deshalb wichtig ist

Mosebach gilt als unbequem, manchmal als provokant – doch gerade das macht seine Texte so spannend. Er scheut sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen. Seine Kritik an der modernen Kirche mag hart klingen, aber sie entspringt keiner Rebellion, sondern echter Sorge um das, was ihm heilig ist.

Wer ihn liest, spürt sofort: Hier schreibt einer, der seine Kirche liebt, der ihre Geschichte kennt und ihre Sprache versteht. Seine Beobachtungen sind klug, seine Argumente durchdacht – und seine Sprache ist, typisch Mosebach, kraftvoll, bildreich und voller Esprit.

Auch wer selbst nicht gläubig ist, kann aus diesem Buch viel mitnehmen. Denn es geht nicht nur um Religion, sondern um die Frage nach Form, Schönheit und Sinn in einer Zeit, in der vieles beliebig geworden ist. Mosebach verteidigt das, was Halt gibt – Rituale, Ordnung, Verlässlichkeit – und erinnert daran, dass diese Dinge nicht altmodisch, sondern zutiefst menschlich sind.

Zwischen Tradition und Gegenwart

Die neue Ausgabe von Häresie der Formlosigkeit greift viele Themen auf, die heute wieder aktuell sind: Wie viel Anpassung verträgt eine Institution, ohne sich selbst zu verlieren? Wie kann Glaube in einer modernen Welt bestehen, die ständig Wandel verlangt? Und was bedeutet es überhaupt, etwas „Heiliges“ zu bewahren?

Mosebachs Antwort ist klar: Der Weg nach vorn führt nicht über den Verlust der eigenen Wurzeln, sondern über ihre Wiederentdeckung. Seine Essays sind eine Einladung, tiefer hinzuschauen – nicht nur auf die Liturgie, sondern auf die Kultur des Feierns und des Glaubens insgesamt.

Warum sich die Lektüre lohnt

Dieses Buch ist nichts für Leute, die nach schnellen Lösungen suchen. Es ist ein Werk zum Nachdenken, Diskutieren und Staunen. Mosebach schreibt nicht trocken oder belehrend, sondern mit einer Mischung aus Leidenschaft, Witz und tiefem Ernst. Man merkt, dass er nicht nur Theoretiker, sondern auch Künstler ist – jemand, der spürt, was Worte und Formen bewirken können.

Wer Freude an kluger Argumentation, sprachlicher Eleganz und einem Hauch literarischer Provokation hat, wird an diesem Buch seine helle Freude haben. Es ist ein Werk, das inspiriert, irritiert, herausfordert – und genau dadurch bereichert.

Fazit

„Häresie der Formlosigkeit“ ist weit mehr als eine kirchenkritische Schrift – es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Schönheit, Tiefe und Bedeutung der Form. Martin Mosebach zeigt, warum Rituale nicht leer, sondern lebensnotwendig sind. In einer Welt, die oft alles gleichmachen will, erinnert er daran, dass das Besondere, das Geheimnisvolle und das Feierliche einen Platz haben müssen.

Ein Buch für alle, die nicht einfach mit dem Strom schwimmen wollen – für Denker, Gläubige, Ästheten und alle, die spüren, dass Haltung und Form mehr sind als bloße Fassade.

  • Herausgeber ‏ : ‎ dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 11. September 2025
  • Auflage ‏ : ‎ 1.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 336 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3423149388
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3423149389
  • Abmessungen ‏ : ‎ 12.2 x 2.42 x 19.1 cm

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