
„Amphibium“ von Tyler Wetherall ist ein tiefgehender und gleichzeitig feinfühliger Roman über das Erwachsenwerden – besonders über das Frauwerden in einer Welt, die oft überfordert, verwirrend und auch gefährlich sein kann. Die Geschichte spielt im ländlichen Südwestengland der 1990er-Jahre und begleitet die junge Sissy auf einem schwierigen, aber auch faszinierenden Weg hin zum Erwachsenwerden.
Eine Kindheit am Rand
Sissy lebt bei ihrer alleinerziehenden Mutter, die psychisch instabil ist. Schon früh lernt sie, für sich selbst zu sorgen. Ihre Welt ist oft einsam, manchmal sogar beängstigend. Doch alles ändert sich, als sie an ihrer neuen Schule Tegan begegnet – einem Mädchen, das stark wirkt, selbstsicher auftritt und eine Clique anführt. Zwischen den beiden entsteht schnell eine enge Freundschaft. Sie vertrauen sich Geheimnisse an, teilen Ängste, Hoffnungen und erste körperliche Erfahrungen.
Die unsichtbare Grenze zum Frausein
Der Roman beschreibt sehr genau, was viele junge Mädchen fühlen, wenn sie in diese Zwischenzeit kommen: noch kein Kind mehr, aber auch noch keine erwachsene Frau. Es ist eine Zeit voller Veränderungen – am Körper, im Denken, im Fühlen. Die beiden Mädchen beobachten sich gegenseitig, entdecken ihre Sexualität und versuchen herauszufinden, wo ihr Platz in der Welt ist.
Doch je mehr sie sich mit dem Thema Frauwerden beschäftigen, desto mehr geraten sie auch in gefährliche Fantasien. Sie schicken Fotos an ältere Männer in Chatrooms, lesen neugierig über vermisste Mädchen in den Nachrichten und stellen sich vor, wie ihre eigenen Gesichter auf Suchplakaten aussehen würden. Dabei verschwimmen Realität und Fantasie immer mehr – mit ernsten und tragischen Folgen.
Zwischen Märchen und Wirklichkeit
Sissy und Tegan flüchten sich oft in eine märchenhafte, fast magische Traumwelt – wie eine Art Schutzraum vor dem echten Leben. Diese Fantasiewelt gibt ihnen Halt, aber sie droht auch, sie zu verschlingen. Was zuerst harmlos scheint, wird immer düsterer.
Einfühlsam und ehrlich erzählt
Tyler Wetherall schreibt in einem bildreichen, fast poetischen Stil, der einen tief in die Gefühlswelt der Mädchen hineinzieht. Ihre Sprache ist nie kitschig, sondern ehrlich, direkt und gleichzeitig zart. Sie zeigt die Widersprüche des Erwachsenwerdens: die Neugier, die Angst, die Einsamkeit und das starke Bedürfnis, gesehen und verstanden zu werden.
Der Roman macht dabei auch vor schwierigen Themen nicht halt – Sexualität, psychische Probleme, Gewalt und Sehnsucht nach Nähe werden nicht beschönigt, aber behutsam behandelt.
Für wen ist dieses Buch?
„Amphibium“ ist ein Coming-of-Age-Roman, der sich an Leser:innen richtet, die sich für das Innenleben junger Menschen interessieren – egal ob jung oder alt. Wer ein Buch sucht, das tiefgründig, atmosphärisch und ehrlich erzählt, wie es sich anfühlt, eine junge Frau in einer fordernden Welt zu werden, wird hier fündig.
Fazit
„Amphibium“ ist ein bewegender Roman über Freundschaft, Sehnsucht, Identität und die dunklen und hellen Seiten des Erwachsenwerdens. Ein Buch, das lange nachklingt – mal traurig, mal zart, mal verstörend, aber immer berührend. Einfühlsam, mutig und wunderschön geschrieben.
- Herausgeber : dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Erscheinungstermin : 12. Juni 2025
- Auflage : 1.
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 352 Seiten
- ISBN-10 : 3423284560
- ISBN-13 : 978-3423284561
- Originaltitel : Amphibian
- Abmessungen : 12.8 x 2.8 x 21 cm
- 25 Euro