
Manchmal tauchen Bücher aus der Vergangenheit auf, die sich anfühlen, als wären sie genau für unsere Zeit geschrieben. „Das gefährliche Alter“ von Karin Michaëlis ist so ein Werk. 1910 erstmals veröffentlicht, damals ein handfester Skandal – und heute eine mitreißende Wiederentdeckung, die zeigt, wie kraftvoll, mutig und modern Literatur sein kann.
Die Hauptfigur Elsie ist Anfang vierzig, lässt sich scheiden und zieht sich in eine weiße Villa am Meer zurück. Auf den ersten Blick könnte man meinen: eine Frau, die einfach Ruhe sucht, um die Wechseljahre durchzustehen. Doch schnell wird klar, dass hinter dieser Entscheidung viel mehr steckt. Elsie flieht nicht vor den Jahren, sondern vor der Leidenschaft, die sie für einen jüngeren Mann empfindet – eine Leidenschaft, die sie in der engen Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts kaum ausleben könnte.
Ein Roman voller Mut
Karin Michaëlis wagt etwas, das damals geradezu unerhört war: Sie lässt eine Frau offen und schonungslos über Gefühle, Sehnsucht, Lust und Ängste sprechen. Keine Fassade, keine verklärte Rollenbilder, sondern ehrliche Innenschau. In Form von Tagebuchauszügen und Briefen erleben wir hautnah, was es heißt, gegen Erwartungen, Normen und Konventionen zu kämpfen – und dabei nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die eigene Unsicherheit im Nacken zu haben.
Warum dieses Buch begeistert
- Es ist literarisch brillant: klar, schnörkellos, intensiv – jedes Wort sitzt.
- Es ist feministisch avantgardistisch: lange bevor die zweite Frauenbewegung überhaupt existierte, stellte Michaëlis Fragen nach Freiheit, Selbstbestimmung und weiblicher Leidenschaft.
- Es ist zeitlos aktuell: Wer heute über das Älterwerden, über Beziehungen oder über gesellschaftlichen Druck nachdenkt, wird vieles in Elsies Kampf wiedererkennen.
Ein Skandal, der Geschichte schrieb
Damals löste der Roman hitzige Debatten aus. Eine Frau, die sich trennt, über ihre Wechseljahre spricht, über Lust, Begehren und über die Enge der Ehe? Für die bürgerliche Gesellschaft von 1910 war das ein Tabubruch. Doch genau das machte das Buch zum Kult. Ganze Frauengenerationen fanden in Elsie eine Stimme, die Dinge aussprach, die bis dahin verschwiegen wurden.
Die neue Übersetzung – ein Gewinn
Besonders erfreulich: Diese Neuausgabe bringt den Roman in einer frischen, modernen Übersetzung, die den Text lebendig macht, ohne seinen historischen Ton zu verfälschen. Manuela Reicharts Nachwort liefert wertvolle Einordnung und zeigt, warum „Das gefährliche Alter“ nicht nur ein Stück Literaturgeschichte ist, sondern auch heute noch elektrisiert.
Ein Buch, das Funken schlägt
Wer dieses Buch liest, spürt die Energie, die zwischen den Zeilen vibriert. Es geht nicht nur um eine Frau in einer weißen Villa, es geht um Freiheit, um den Mut, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen, und um den Preis, den man dafür zahlen muss. Man liest, fiebert, staunt – und fragt sich unweigerlich: Wie viel von Elsies Kampf steckt heute noch in uns?
Fazit
„Das gefährliche Alter“ ist kein staubiger Klassiker, sondern ein Funkenregen von einem Roman. Voller Leidenschaft, voller Ehrlichkeit und voller Sprengkraft. Karin Michaëlis gibt einer Frau eine Stimme, die sich nicht beugen will – und trifft damit auch über hundert Jahre später mitten ins Herz. Ein Skandalbuch von gestern, das heute ein Befreiungsschlag ist. Wer sich für Literatur interessiert, die Grenzen sprengt, wer Lust auf eine kluge, kraftvolle Frauenfigur hat, die kompromisslos ihr Leben betrachtet, sollte dieses Buch unbedingt lesen.
- Herausgeber : Ebersbach & Simon
- Erscheinungstermin : 20. August 2025
- Auflage : 1.
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 160 Seiten
- ISBN-10 : 3869153202
- ISBN-13 : 978-3869153209
- Originaltitel : Den farlige alder
- Abmessungen : 11.4 x 1.7 x 18.6 cm
- 22 Euro