/ Februar 29, 2024/ Biografien, Romane

Fritz Erik Hoevels, Hyam Maccoby


Gemäß Hyam Maccobys Interpretation verkörpert der mythische Gestalt des „Heiligen Henkers“ eine archetypische Figur, die in diversen antiken Glaubenssystemen anzutreffen ist. Diese Gestalt vollzieht notwendige Rituale von Menschenopfern im Dienst der Gesellschaft, wird jedoch aufgrund der Gräuel ihrer Taten verflucht und aus der Gemeinschaft verbannt. In seinem Werk zielt Maccoby darauf ab, Spuren dieser Figur in biblischen Erzählungen aufzudecken.

Bezogen auf Kain zeigt sich ein komplexeres Bild als bloß ein Brudermord. Die biblische Erzählung verdeutlicht, dass Kain für seine Tat gebrandmarkt wird, doch gleichzeitig mit einer Schutzmaßnahme versehen wird. Diese Diskrepanz deutet Maccoby als Hinweis auf eine ursprüngliche Version, in der Kain als Heiliger Henker handelt. Eine solche Handlung, obgleich abscheulich, wird nicht als Vergehen betrachtet, da sie als notwendiges Opfer für die Gemeinschaft angesehen wird.

Die Identität des Opfers, laut Maccoby, könnte ursprünglich nicht Abel, sondern Kains Sohn Henoch gewesen sein. Die Wahl dieses Opfers wird durch die Sitte in der antiken Welt, neue Siedlungen durch Menschenopfer zu weihen, unterstützt. Kains Benennung einer Stadt nach seinem Sohn Henoch deutet darauf hin, dass dieser möglicherweise geopfert wurde. Der Bericht über Henochs Verschwinden ohne Tod im herkömmlichen Sinne unterstützt diese Hypothese.

Des Weiteren vertritt Maccoby die These, dass Kain möglicherweise der erste Mensch war, nicht Adam. Dies wird durch Parallelen in den Strafen für beide Figuren gestützt sowie durch die Verwendung des Ausdrucks „seine Frau erkennen“ im Zusammenhang mit Kain. Die Bedeutung dieses Ausdrucks deutet darauf hin, dass Kain nicht nur ein neues Leben zeugt, sondern eine neue Rasse initiiert.

Der Name Kain, was auf Hebräisch „Schmied“ bedeutet, und die Verbindung zu Schmieden in der Bibel, unterstützen Maccobys Hypothese weiter. Die Keniter, von denen Moses‘ Schwiegervater abstammt, werden manchmal auch als Kain übersetzt, was auf eine Verbindung zwischen Kain und den Kenitern hinweist.

In Bezug auf Lamech, obwohl nur wenige Verse über ihn existieren, deutet Maccoby darauf hin, dass er eine zentrale Figur im kenitischen Mythos war. Seine Behauptung, stärker gerächt zu werden als Kain, deutet auf eine Kontinuität des Henker-Charakters hin. Die lange Lebensspanne von Lamech in Verbindung mit den Berichten über seine Söhne lässt vermuten, dass sie eine wichtige Rolle in der Kenitischen Kultur spielten, die möglicherweise die Sintflut überlebten.

Maccobys Deutung des Tieropfers Noahs nach der Sintflut als Spiegelbild eines hypothetischen Menschenopfers in der kenitischen Mythologie bietet eine faszinierende Perspektive. Lamechs angeblicher Mord an seinem eigenen Kind, unterstützt durch Midrasch-Traditionen, vertieft das Bild eines komplexen und mythologisch reichen Erzählstrangs.

  • Herausgeber ‏ : ‎ AHRIMAN-Verlag; 1. Edition (1. Juni 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 263 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3894846143
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3894846145
  • Originaltitel ‏ : ‎ The Sacred Executioner
  • Abmessungen ‏ : ‎ 17.2 x 2.1 x 23.9 cm
  • 19,80 Euro

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