/ November 25, 2025/ Buch

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Gabriele Gysi blickt in diesem Buch auf die DDR und auf die Zeit nach ihrem Ende zurück. Sie tut das weder nostalgisch noch anklagend, sondern suchend: Was war dieser Staat wirklich? Was ist von ihm geblieben? Und warum wurde sein Untergang zwar politisch gefeiert, aber nicht menschlich verarbeitet?

Die Autorin beginnt mit dem 9. November 1989, dem Tag, an dem die Berliner Mauer fiel. Dieses Datum steht für Freude, Hoffnung und den Beginn eines neuen Deutschlands. Gleichzeitig markiert es aber auch den Moment, in dem ein ganzer Staat verschwand – und mit ihm die Lebensgeschichte von Millionen Menschen. Viele, die in der DDR lebten, fühlten sich danach heimatlos: nicht weil sie den alten Staat zurückhaben wollten, sondern weil niemand wissen wollte, wie sie gelebt, gehofft oder gelitten hatten.

Gysi fragt, warum der Zusammenbruch der DDR keine „würdige Beerdigung“ bekam. Ein Staat verschwand, aber es gab keinen gemeinsamen Abschied, keinen ehrlichen Blick auf das Gute wie das Schlechte. Stattdessen wurde vieles überschrieben oder lächerlich gemacht, und manches wurde bewusst verdrängt. Die Autorin kritisiert nicht die Wiedervereinigung selbst, sondern den Umgang mit der Vergangenheit: Was bedeutet es für ein Land, wenn ein Teil seiner Geschichte nur noch als Problem oder Schuld dargestellt wird?

Das Buch verbindet persönliche Erinnerungen, politische Gedanken und literarische Bezüge. Gysi greift Figuren wie Antigone oder Motive aus Shakespeares Theater auf, um zu zeigen, wie Gesellschaften ihre Geschichten erzählen – oder eben nicht erzählen. Sie untersucht, wie Macht, Medien und Moral nach 1989 wirkten und wie sie bis heute bestimmen, was als „richtige“ Erinnerung gilt.

Ein wichtiges Thema ist die deutsche Frage: Was hält Deutschland zusammen? Welche Erwartungen und Ängste gab es nach der Wiedervereinigung? Und gibt es bis heute ungelöste Spannungen zwischen Ost und West? Gysi macht deutlich, dass viele Hoffnungen von damals – besonders die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit – heute kaum noch eine Rolle spielen. Dabei hatten sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR nach dem Zweiten Weltkrieg ein gemeinsames Ziel: Nie wieder Krieg. Diese Idee ist jedoch im politischen Alltag verblasst.

Gysi kritisiert außerdem, wie leichtfertig Vergangenheit zu einem Feindbild gemacht wird. Die DDR war ein autoritärer Staat, doch das Leben seiner Bürger war vielfältig, widersprüchlich und mehr als nur Stasi und Mangelwirtschaft. Wenn man nur das Negative betrachtet, verliert man die Menschen aus dem Blick, die dort aufgewachsen sind. Für Gysi ist Erinnerung deshalb eine Frage von Respekt und Gerechtigkeit.

Das Buch ist leidenschaftlich, klar und oft persönlich. Es stellt Fragen, die heute wieder besonders wichtig wirken:
Wie gehen wir mit Geschichte um?
Wie entsteht eine gemeinsame Erzählung eines Landes?
Und wie kann ein vereintes Deutschland seine Brüche heilen, wenn es seine Vergangenheit nur halb erinnert?

„Die Nacht, als Soldaten Verkehrspolizisten wurden“ ist kein nostalgischer Rückblick und kein politisches Manifest, sondern ein nachdenkliches, klarsichtiges Buch über Verantwortung, Erinnerung und die Suche nach einem ehrlichen Bild der deutschen Geschichte. Es lädt dazu ein, genauer hinzusehen – und zu verstehen, warum die „deutsche Frage“ vielleicht noch immer nicht ganz beantwortet ist.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Westend
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 8. September 2025
  • Auflage ‏ : ‎ 1.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 200 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 398791307X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3987913075
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.3 x 2.1 x 21.2 cm
  • 20 Euro

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