
Håkan Nesser entführt die Lesenden in eine schwedische Kleinstadt, die auf den ersten Blick ruhig wirkt, aber hinter ihrer Fassade dunkle Geheimnisse birgt. Inmitten des alltäglichen Lebens geschehen plötzlich Ereignisse, die das Leben mehrerer Menschen auf den Kopf stellen.
Im Zentrum steht ein junger Mann, dessen eigentlich gewöhnlicher Abend auf tragische Weise endet. Ohne Vorwarnung wird er Opfer eines brutalen Verbrechens, das die Kleinstadt erschüttert. Die ersten Ermittlungen zeigen schnell, dass nichts so einfach ist, wie es scheint: Die Spuren führen in unterschiedliche Richtungen, und das Motiv bleibt lange verborgen. Als dann ein weiterer ähnlicher Vorfall direkt in der Nähe geschieht, wird klar, dass die Ereignisse miteinander verbunden sein könnten – und die Verantwortlichen möglicherweise näher sind, als man denkt.
Die Geschichte folgt dabei nicht nur dem Ermittlerteam, sondern öffnet auch kleine Einblicke in das Leben der Menschen in Kymlinge. Die Figuren wirken dabei so lebendig und greifbar, dass man ihre Gedanken und Gefühle gut nachempfinden kann. Jeder Charakter trägt auf seine Weise dazu bei, dass man als Lesender die Atmosphäre der Stadt und die Spannung der Ermittlungen spürt. Besonders Gunnar Barbarotti, unterstützt von seiner Frau Eva Backman, zeigt, wie rationale Überlegung, Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen Hand in Hand gehen müssen, um Licht ins Dunkel zu bringen.
Was Nesser besonders gut gelingt, ist die Balance zwischen Kriminalhandlung und menschlicher Tiefe. Die Spannung entsteht nicht nur durch die rätselhaften Morde, sondern auch durch die Fragen, die sich die Charaktere stellen – Fragen nach Moral, Gerechtigkeit und den Grauzonen des Lebens. Man spürt förmlich die inneren Konflikte der Ermittler, die über das Offensichtliche hinausdenken müssen, um den Täter zu finden, und gleichzeitig mit ihren eigenen Gefühlen umgehen.
Die Beschreibung der Stadt und der Umgebung unterstützt die Stimmung hervorragend. Kleine Details – von Straßen über Häuser bis hin zu alltäglichen Begegnungen – tragen dazu bei, dass die Welt greifbar wird, ohne dass die Handlung unnötig aufgehalten wird. Man merkt, dass jeder Ort, jede Szene bewusst gewählt ist, um Spannung zu erzeugen und gleichzeitig Charaktere und Handlung zu vertiefen.
Die Handlung selbst ist gut strukturiert und bleibt dabei leicht verständlich. Obwohl es mehrere Handlungsstränge gibt, verliert man nie den Überblick. Die kurzen Perspektivwechsel und Einblicke in unterschiedliche Charaktere sorgen dafür, dass man als Lesender immer ein Stück weit selbst miträtseln kann. Dadurch entsteht eine Art interaktives Lesen – man denkt mit, spekuliert, versucht Verbindungen herzustellen und wird dabei nie bevormundet.
Auch sprachlich überzeugt das Buch: Der Übersetzer Paul Berf überträgt Nessers Stil flüssig und klar ins Deutsche. Die Sätze sind so gestaltet, dass sie die Spannung tragen, ohne zu kompliziert oder überladen zu wirken. Gleichzeitig gibt es Momente, die zum Innehalten einladen, kleine Reflexionen über das Leben, über Entscheidungen und deren Konsequenzen, die das Buch zusätzlich bereichern.
Insgesamt hinterlässt das Buch ein vielschichtiges Gefühl. Es ist spannend, nachdenklich, manchmal ein wenig melancholisch, aber nie erdrückend. Es regt dazu an, über Moral, menschliche Schwächen und die Komplexität von Recht und Gerechtigkeit nachzudenken. Auch wenn der Leser nie alle Details vorhersehen kann, schafft Nesser es, dass man stets in der Geschichte bleibt, neugierig auf die nächste Wendung und gleichzeitig verbunden mit den Charakteren.
Für alle, die Krimis mit Tiefgang lieben, ist „Eines jungen Mannes Reise in die Nacht“ ein lohnenswerter Abschluss der Gunnar-Barbarotti-Reihe. Man kann die Morde und Ermittlungen spannend verfolgen, ohne dass die Handlung übermäßig brutal wirkt, und man bleibt gleichzeitig emotional involviert. Das Buch ist nicht nur ein Kriminalroman, sondern auch eine Reflexion über Entscheidungen, Menschlichkeit und die Schattenseiten des Lebens in einer scheinbar stillen Kleinstadt.
Fazit: Wer gerne Krimis liest, die über das Offensichtliche hinausgehen, die Figuren spürbar machen und gleichzeitig die Spannung halten, findet hier genau das Richtige. Gunnar Barbarotti und sein Umfeld laden dazu ein, mitzudenken, mitzufühlen und sich auf eine Reise durch Rätsel, moralische Fragen und menschliche Schicksale einzulassen. Ein Buch, das man nicht so schnell vergisst und das noch lange nach dem letzten Satz nachklingt.
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- Herausgeber : btb Verlag
- Erscheinungstermin : 10. September 2025
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 352 Seiten
- ISBN-10 : 3442763096
- ISBN-13 : 978-3442763092
- Originaltitel : Ung mans färd mot natt (Barbarotti 9)
- Abmessungen : 14.4 x 3.3 x 22.1 cm