
Mit Gute Menschen hat Frédéric Schwilden einen Roman geschaffen, der ebenso zeitgenössisch wie zeitlos wirkt – eine Erzählung von Liebe, Entfremdung, Neuanfang und der Frage, wie wir in einer immer komplexeren Welt zu uns selbst und zu anderen finden können. Schwilden entwirft nicht einfach eine Trennungsgeschichte; er formt aus dem Bruch einer Ehe ein strahlendes Panorama moderner Lebensentwürfe, voller Widersprüche, Sehnsüchte und Hoffnungen.
Im Zentrum stehen Jennifer und Jan – zwei Menschen, die sich eigentlich alles erarbeitet haben, was man gemeinhin „Glück“ nennt, und doch am Abgrund einer Krise stehen. Jennifer, brillante Juristin, ausgestattet mit Ehrgeiz, Verstand und einem unerschütterlichen Willen, will endlich sich selbst verwirklichen. Jan dagegen, ein idealistischer Gymnasiallehrer, glaubt an die Kraft der Bildung und träumt davon, die Welt zu retten. Zwei Biografien, die sich einst ineinanderfügen sollten, beginnen auseinanderzudriften.
Schwildens Stärke liegt darin, das Drama nicht als lautes Zerwürfnis, sondern als feine, stille Verschiebung darzustellen. Als Jan in den letzten Wochen des Jahres zu seiner kranken Großmutter fährt – getragen von familiärer Pflicht und dem Wunsch, für jemanden da zu sein – entscheidet Jennifer, heimlich auszuziehen. Kein Donner, kein großes Finale, sondern die stille Revolution eines Menschen, der beschließt, sich selbst an erste Stelle zu setzen. Sie erfindet sich neu, während Jan in der Nähe seiner Großmutter eine andere Art von Sinn entdeckt: die Kraft der Nächstenliebe, das Aufgehen in Verantwortung und Fürsorge.
Seither herrscht Funkstille. Und genau in dieser Stille, in diesem Zwischenraum von Liebe und Leere, entwickelt Schwilden seine große Erzählkraft. Er stellt Fragen, die uns alle betreffen: Warum reden wir nicht miteinander, wenn es am dringendsten wäre? Ist Schweigen ein stiller Aufschrei oder schon eine Kapitulation? Handelt es sich um Ghosting – oder ist es vielleicht das einzig Richtige, wenn man einander loslassen muss, um sich selbst wiederzufinden?
Der Roman funkelt in seiner Gegenwärtigkeit. Er ist durchzogen vom Rhythmus unserer Zeit: der Sehnsucht nach Selbstverwirklichung, dem Druck, das „Richtige“ zu tun, dem Bedürfnis nach Liebe und gleichzeitig dem Drang nach Freiheit. Jennifer und Jan sind keine abstrakten Figuren, sondern Menschen aus Fleisch und Blut – mit Stärken, Schwächen, Träumen und Ängsten. Gerade deshalb wirken sie so nah, so berührend.
Doch Gute Menschen ist mehr als die Geschichte zweier Figuren. Es ist ein Spiegel für uns alle. Wer hat nicht schon erlebt, wie eine Beziehung sich in eine Richtung entwickelt, während man selbst in eine andere strebt? Wer kennt nicht den Wunsch, einmal ganz neu zu beginnen, und zugleich die Angst vor dem, was man zurücklässt? Schwilden schreibt mit einer Intensität, die diese Erfahrungen in jeder Zeile fühlbar macht.
Euphorisch macht dieses Buch, weil es zeigt, dass Enden auch Anfänge sind. Dass ein gebrochenes Band nicht nur Verlust bedeutet, sondern auch Freiheit. Dass man, indem man das Schweigen aushält, manchmal lauter über sich selbst spricht, als es Worte je könnten. Jennifer und Jan mögen einander verloren haben – und doch gewinnen sie Welten. Sie entdecken neue Facetten von Glück, Sinn und Nähe.
Schwildens Sprache ist klar und zugleich von poetischer Schönheit. Er inszeniert Szenen voller zarter Melancholie, bricht sie mit Momenten stillen Humors und verdichtet sie zu Passagen, die man mit angehaltenem Atem liest. Ein Weihnachtsfest ohne Glanz, eine leere Wohnung voller Versprechen, ein Besuch am Krankenbett, der mehr über Menschlichkeit erzählt als große Reden – das sind die Funken, aus denen er sein Werk formt.
Gute Menschen ist ein Roman über unsere Zeit und doch weit mehr: ein Plädoyer für Ehrlichkeit, für Mut und für die leise, aber kraftvolle Einsicht, dass man manchmal gehen muss, um wirklich anzukommen. Ein Buch, das Hoffnung schenkt, gerade weil es das Scheitern nicht beschönigt, sondern es als Teil des Lebens anerkennt.
Am Ende bleibt das Gefühl, etwas zutiefst Menschliches gelesen zu haben – eine Geschichte, die uns nicht nur unterhält, sondern verändert. Frédéric Schwilden ist mit Gute Menschen ein Meisterwerk gelungen: ein Roman, der uns daran erinnert, dass wahre Größe nicht darin liegt, perfekt zu sein, sondern darin, den Mut zu haben, neu zu beginnen.
Frédéric Schwilden gelingt mit Gute Menschen ein bewegender Roman über Abschied, Neubeginn und die Suche nach Sinn. Feinfühlig erzählt er von Jennifer und Jan, deren Wege sich trennen, um neue Möglichkeiten zu eröffnen. Mit klarem Stil, großer Empathie und zeitgeistiger Wucht zeigt er, dass Enden auch Anfänge sind – ein tief berührendes, hoffnungsvolles Buch.
- Herausgeber : Piper
- Erscheinungstermin : 1. August 2025
- Auflage : 1.
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 208 Seiten
- ISBN-10 : 3492073565
- ISBN-13 : 978-3492073561
- Abmessungen : 12.8 x 2.6 x 21 cm
- 23 Euro