/ Oktober 21, 2025/ Buch, Romane

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Wow. Dieses Buch hat mich echt umgehauen. Herz in der Faust ist kein seichtes Wohlfühlbuch, sondern ein Roman, der richtig unter die Haut geht. Sorj Chalandon, der schon länger als einer der großen französischen Erzähler gilt, zeigt hier wieder, was er draufhat: Er kann eine Geschichte erzählen, die sich liest wie ein Sturm – wild, traurig, wütend und trotzdem voller Leben.


Worum geht’s eigentlich?

Die Geschichte spielt im August 1934 auf der bretonischen Insel Belle-Île-en-Mer. Dort gibt es eine Strafkolonie für Jugendliche – Jungs, die niemand will, verstoßene Kinder, Waisen, Außenseiter. 56 von ihnen gelingt eines Nachts die Flucht. Eigentlich ein Akt der Freiheit, aber was danach passiert, ist alles andere als heroisch: Die Polizei setzt 20 Franc Belohnung für jeden gefangenen Jungen aus – und plötzlich wird die ganze Insel zu einem Jagdrevier. Bauern, Fischer, Familien – alle machen mit. Ein Menschenjagdspiel auf Leben und Tod.

Nur einer dieser Jungen schafft es, wirklich zu entkommen: Jules Bonneau. Und um ihn geht’s in diesem Roman.

Jules ist kein Held, kein strahlender Kämpfer, sondern ein Junge, der schon viel zu früh alles verloren hat. Die Eltern sind weg, das Heim war die Hölle, und jetzt ist er auf der Flucht – vor der Polizei, vor den Leuten, aber auch irgendwie vor sich selbst.

Auf seiner Flucht trifft er den Sardinenfischer Ronan Kadarn und dessen Frau. Zum ersten Mal in seinem Leben erfährt er so etwas wie Zuneigung. Eine echte, warme Nähe, die ihn völlig überfordert. Diese Begegnung verändert alles: Sie zeigt ihm, dass das Leben mehr sein kann als Gewalt und Angst – aber genau das macht es auch so schwer. Denn irgendwann muss Jules entscheiden, was er aus dieser zweiten Chance macht – und ob er sich seiner Vergangenheit stellt.


Warum das Buch so besonders ist

Sorj Chalandon schreibt keine einfachen Geschichten. Seine Figuren sind immer ein bisschen kaputt, tragen Wunden in sich, die nicht mehr heilen. Aber genau das macht sie so echt. Jules ist ein Kind, das man gleichzeitig in den Arm nehmen und anschreien möchte. Chalandon schafft es, seine Wut und seine Verletzlichkeit so spürbar zu machen, dass man beim Lesen fast körperlich mitleidet.

Der Autor war früher Journalist, und das merkt man: Er schreibt klar, präzise und mit einem unglaublichen Gespür für Atmosphäre. Wenn er die stürmische bretonische Küste beschreibt, riecht man fast das Salz in der Luft. Wenn er von der Brutalität der Strafkolonie erzählt, zieht sich einem der Magen zusammen. Und wenn Jules zum ersten Mal echte Zärtlichkeit erlebt, dann tut das so weh, dass man kaum weiterblättern will – und trotzdem muss.

Was Chalandon besonders gut kann: Er verbindet große Geschichte mit persönlichem Schicksal. Die 1930er Jahre, der aufkommende Faschismus, die politischen Spannungen – das alles ist da, aber nie aufdringlich. Es geht nicht um Daten und Fakten, sondern darum, wie diese Zeit in einem Menschen weiterlebt, der eigentlich nur eins will: Frieden.


Sprache und Stil

Chalandon schreibt kraftvoll, manchmal fast poetisch, aber immer mit Wucht. Kein Wort ist überflüssig, kein Satz geschwollen. Die deutsche Übersetzung von Brigitte Große trifft genau diesen Ton – rau, ehrlich, direkt. Die Sprache hat etwas Musikalisches, auch wenn sie von Schmerz erzählt.

Der Titel Herz in der Faust passt perfekt: Er steht für die Spannung, die dieses Buch durchzieht – zwischen Wut und Liebe, Gewalt und Zärtlichkeit, Überleben und Verzweiflung.


Was bleibt nach dem Lesen

Das ist kein Buch, das man einfach „wegliest“. Herz in der Faust bleibt hängen. Es macht wütend, traurig, nachdenklich – und irgendwie auch hoffnungsvoll. Man spürt, dass Chalandon an das Gute im Menschen glaubt, auch wenn er genau weiß, wie grausam die Welt sein kann.

Jules’ Geschichte ist eine über das Menschsein in seiner rohesten Form. Über den Kampf ums Überleben, über das Bedürfnis nach Nähe, über Schuld und Vergebung. Und darüber, wie schwer es ist, die eigene Vergangenheit loszulassen.


Für wen ist das Buch etwas?

Für alle, die gerne literarische Romane lesen, die berühren, fordern und lange nachhallen. Für Menschen, die sich für Geschichte interessieren, aber keine trockenen Faktenbücher wollen. Für alle, die Sprache lieben, die weh tut – aber schön weh.

Es ist kein leichter Stoff, aber ein lohnender. Und wer Chalandon kennt, weiß: Seine Bücher sind immer eine emotionale Wucht. Herz in der Faust ist da keine Ausnahme – im Gegenteil, vielleicht ist es sein bisher stärkstes Werk.


Fazit

Ein beeindruckender, wilder, tief berührender Roman über einen Jungen, der alles verliert und trotzdem nicht aufgibt. Chalandon zeigt, dass selbst in den dunkelsten Momenten ein Funken Menschlichkeit leuchten kann.

Wenn man das Buch zuschlägt, bleibt ein Kloß im Hals – und das Gefühl, gerade etwas wirklich Großes gelesen zu haben.

Mein Fazit:
Rau, echt, mitreißend – ein Buch, das einen packt und nicht mehr loslässt.
Ein Muss für alle, die Geschichten über Mut, Schmerz und Hoffnung lieben.

  • Herausgeber ‏ : ‎ dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 11. September 2025
  • Auflage ‏ : ‎ 1.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 400 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3423284897
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3423284899
  • Originaltitel ‏ : ‎ L’Enragé
  • 25 Euro
  • Abmessungen ‏ : ‎ 11.8 x 3.7 x 19.5 cm

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