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gelb, schwarz
„Die Ungezähmten“ ist so ein Buch, das man aufschlägt – und plötzlich bist du mitten im Wald. Nicht irgendwie – sondern in dieser wilden, ungezähmten Natur Kanadas, wo die Luft klar ist, der Boden nach Moos riecht und sich alles ein bisschen größer und echter anfühlt als die Welt, die wir gewohnt sind. Gabrielle Filteau-Chiba schafft es mit einer Art lässiger Eleganz, dich sofort hineinzuziehen: in die Einsamkeit, in die Freiheit und in diese beinahe mystische Verbindung zwischen Mensch, Tier und Wald.
Im Mittelpunkt steht Raphaëlle – eine Frau, die nicht nur stark ist, sondern kompromisslos, sensibel, eigenständig und innerlich voller Feuer. Sie lebt zusammen mit ihrer Hündin Coyote zurückgezogen in den Wäldern von Kamouraska. Ihr Job als Wildhüterin ist nichts für Bürohelden: Sie begegnet Bären, Luchsen, Kojoten, überprüft Jagdgebiete, legt Wege zurück, die andere nur mit einer Karte und viel Mut schaffen würden. Das Leben da draußen ist hart – aber es gehört ihr, und sie liebt es.
Dann passiert etwas, das alles verändert: Vor ihrem Wohnwagen entdeckt sie fremde Spuren. Kurz darauf verschwindet Coyote. Die Szene, in der sie ihre verletzte Hündin in einer Falle findet, geht richtig unter die Haut. Keine übertriebene Dramatik – nur ehrliche Wut, Angst und dieser rohe, direkte Schmerz. Und genau ab da wird klar: Dieses Buch wird kein stilles Waldbad. Es wird ein Kampf. Nicht nur gegen einen Wilderer, sondern gegen die Frage: Wer zerstört eigentlich die Natur – und warum?
Was dieses Buch besonders macht, ist der Ton. Mal poetisch, beinahe zart – wie ein Sonnenaufgang durch Nebel. Dann wieder hart, direkt, schnörkellos. Wie eine Spur im Schnee oder ein Ruf durchs Dunkel. Gabrielle Filteau-Chiba schreibt nicht nur über Natur, sie schreibt mit Natur. Man hört den Wind zwischen den Zeilen, fühlt den kalten Boden, spürt diese Mischung aus Respekt und Gefahr.
Und trotzdem ist „Die Ungezähmten“ kein düsteres Survival-Drama. Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Freiheit, Verantwortung und Verbundenheit. Raphaëlle ist eine dieser Figuren, die stärker werden, je mehr man über sie liest. Nicht perfekt, nicht glatt, sondern echt. Eine Frau, die nicht wartet, bis jemand anderes etwas tut – sondern selbst losgeht, selbst kämpft, selbst sagt: „Das reicht.“
Auch Coyotes Rolle als tierische Gefährtin macht das Buch besonders berührend. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier wirkt nicht kitschig, sondern tief – fast wortlos, aber bedeutsam. Man merkt: In dieser Wildnis ist Loyalität nicht selbstverständlich. Sie ist etwas, das man sich verdient.
Wer Geschichten liebt, die mutig sind, die Emotion und Spannung genauso liefern wie Ruhe und Nachhall, der wird dieses Buch mögen. Es ist rebellisch, ja – aber nicht laut um des Lautseins willen. Es ist wunderschön, weil es zeigt, wie Natur heilt, fordert und entfesselt. Und es ist kraftvoll, weil es uns daran erinnert, dass wir Teil dieser Welt sind – nicht ihre Herrscher.
„Die Ungezähmten“ ist ein Roman für alle, die sich nach Freiheit sehnen, für alle, die Tiere lieben, für alle, die spüren: In jedem von uns steckt ein Stück Wildnis, das nicht aufgegeben werden will.
- Herausgeber : dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Erscheinungstermin : 14. August 2025
- Auflage : 1.
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 336 Seiten
- ISBN-10 : 342328515X
- ISBN-13 : 978-3423285155
- Originaltitel : Sauvagines
- Abmessungen : 12.8 x 2.3 x 21 cm
- 24 Euro
