
Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass mich ein Buch voller Briefe so fesseln könnte – aber dieser Band hat mich wirklich überrascht! „Briefwechsel mit seinen Verlegern und Redakteuren“ zeigt Karl May mal ganz anders, nämlich nicht nur als den berühmten Abenteuerschriftsteller mit Winnetou, Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, sondern als echten Menschen, als Autor im täglichen Ringen mit Redakteuren, Verlegern und Termindruck. Schon nach den ersten Seiten merkt man: Hier geht’s nicht einfach nur um ein paar trockene Geschäftsbriefe – hier steckt Leben, Drama, Humor und jede Menge Geschichte drin.
Der Band ist wirklich sorgfältig gemacht. Hans-Dieter Steinmetz und Florian Schleburg haben ganze Arbeit geleistet. Alles ist gut geordnet, mit vielen hilfreichen Kommentaren und Erläuterungen, sodass man auch als „normaler“ Leser, der kein Literaturwissenschaftler ist, wunderbar mitkommt. Man bekommt einen richtig lebendigen Eindruck davon, wie die Literaturwelt damals – also Ende des 19. Jahrhunderts – funktioniert hat. Und das ist faszinierend!
Besonders spannend fand ich den Teil über den „Deutschen Hausschatz“ im Pustet-Verlag. Das war ja Mays wichtigstes Publikationsorgan, und es ist schon erstaunlich zu lesen, wie schwierig diese Zusammenarbeit manchmal war. Man spürt in den Briefen, wie sehr May zwischen Pflicht und Leidenschaft hin- und hergerissen war. Einerseits wollte er natürlich liefern, andererseits war er ein kreativer Kopf, der manchmal einfach andere Wege gehen musste. Diese Konflikte mit seinen Herausgebern sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch sehr menschlich. Man merkt, dass Schriftstellerei damals nicht weniger stressig war als heute – nur dass alles per Post lief und Wochen dauern konnte!
Was ich auch klasse finde, ist, wie die Herausgeber den historischen Hintergrund erklären. Wenn in einem Brief Namen, Orte oder Anspielungen auftauchen, gibt es sofort verständliche Anmerkungen dazu. Dadurch verliert man nie den Faden und lernt ganz nebenbei viel über die damalige Literatur- und Mediengeschichte. So erfährt man zum Beispiel, wie stark der Einfluss des katholischen Verlagsmilieus auf Mays Texte war – und wie er immer wieder versuchte, seine eigene Sicht der Welt durchzusetzen. Das alles wirkt oft spannender als so mancher Roman.
Im zweiten Teil geht es dann um den Briefwechsel mit Johannes Dederle, einem Journalisten, der Karl May sehr wohlgesonnen war. Diese Briefe zeigen eine ganz andere Seite von May – einen älteren, reflektierteren Mann, der um sein öffentliches Bild kämpft und versucht, verstanden zu werden. Das ist oft berührend zu lesen. Man merkt, wie viel ihm daran lag, dass die Menschen ihn nicht nur als „Abenteuerschreiber“ sehen, sondern auch als Denker mit einer Botschaft. Gerade wenn man Mays späte Werke kennt, versteht man hier plötzlich, woher viele seiner Ideen und Themen kamen.
Die Gestaltung des Buches ist – wie bei den Karl-May-Werken von Pustet – einfach wunderschön. Die grüne Leinenoptik mit der Gold- und Schwarzprägung sieht edel aus, das Deckelbild ist hochwertig und die Karten auf dem Vorsatz sind ein tolles Extra. Man merkt: Hier wurde nicht einfach ein Text herausgegeben, sondern ein Stück Literaturgeschichte liebevoll aufbereitet. Auch die 70 Schwarzweiß-Abbildungen sind klasse – sie lockern den Text auf und machen das Ganze noch greifbarer.
Ich finde es großartig, dass die Karl-May-Gesellschaft diese Edition fortsetzt. Gerade für Leserinnen und Leser, die Mays Leben und Werk wirklich verstehen wollen, ist dieser Band ein echter Schatz. Es ist schon etwas Besonderes, so nah an den Originaldokumenten zu sein – man liest die Briefe und hat fast das Gefühl, selbst dabei zu sein, wenn May mit seinen Verlegern verhandelt oder über seine Texte diskutiert.
Natürlich, man muss ein gewisses Interesse an Karl May und an Geschichte mitbringen – das ist kein Buch, das man „mal eben schnell“ durchliest. Aber wer sich dafür begeistern kann, bekommt hier eine Fülle an Informationen, authentischen Einblicken und echten Emotionen. Und das in einer Qualität, wie man sie heutzutage selten findet.
Ich habe beim Lesen oft geschmunzelt, manchmal gestaunt, manchmal mitgefühlt – und am Ende hatte ich ein ganz neues Bild von Karl May. Nicht nur als Schriftsteller, sondern als Mensch, der mit Leidenschaft, Stolz und manchmal auch mit Eigensinn seinen Weg gegangen ist.
Fazit: Ein aufwendig gestalteter, klug kommentierter und absolut lesenswerter Band, der zeigt, wie viel Leben in alten Briefen stecken kann. Für Karl-May-Fans sowieso Pflicht, aber auch für alle, die sich für Literaturgeschichte interessieren, eine echte Entdeckung.
Kurz gesagt:
Ein liebevoll ediertes Werk, das Karl May von seiner persönlichen, menschlichen Seite zeigt. Wunderschön gemacht, spannend zu lesen – und ein echtes Highlight für jedes Bücherregal.
- Herausgeber : Karl-May-Verlag GmbH
- Erscheinungstermin : 2. September 2025
- Auflage : Erstausgabe von 2025
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 560 Seiten
- ISBN-10 : 378020097X
- ISBN-13 : 978-3780200976
- Abmessungen : 11.5 x 3.4 x 17.5 cm
- 29 Euro
