Harold James
Um den Zeitraum seit 1850 genauer zu definieren, hat der britische Autor, der in den USA arbeitet, sieben Zeiträume seit 1850 ausgewählt, in denen wirtschaftliche Schocks besonders deutlich auftraten und auf die er sich in seinem Buch konzentriert. Zu diesen Zeiträumen gehören die Weltwirtschaftskrise von 1929-1933, die weltweite Inflationsperiode in den 1970er Jahren und die Weltfinanzkrise von 2008-2009. Die Jahre dazwischen werden ebenfalls behandelt, jedoch nur, wenn sie in einem klaren Zusammenhang mit den Schockmomenten stehen.
Am Ende jedes Kapitels widmet der Autor einen größeren Abschnitt einem oder maximal zwei bedeutenden Ökonomen aus dem beschriebenen Zeitraum. So wird beispielsweise am Ende des ersten Kapitels, das den Zeitraum von 1850 bis 1873 behandelt und als „Die große Hungersnot und der große Aufstand“ betitelt ist, Karl Marx in Verbindung mit Friedrich Engels behandelt.
Die zentrale These des Autors, die für das Verständnis des Buches entscheidend ist, besagt, dass große Wirtschaftskrisen als Schocks im Angebot oder in der Nachfrage interpretiert werden können. Auf Seite 30 wird dies beispielsweise wie folgt ausgedrückt: „Die plausiblere Erklärung für die Nachwirkung von Traumata liegt im Charakter des Schocks selbst. Nicht alle Krisen sind gleich. Insbesondere ist zwischen Angebots- und Nachfrageschocks zu unterscheiden.“
Die Unterscheidung zwischen Angebots- und Nachfrageschocks ist von entscheidender Bedeutung für das Management von Wirtschaftskrisen. In den 1970er Jahren führte die fehlende Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Schocks zu einer zunächst falschen Reaktion der Regierungen in den Industrieländern. Sie versuchten, die Krise mit keynesianischen Methoden, nämlich durch Erhöhung der Staatsausgaben und Unterstützung des Konsums, zu bewältigen. Dies trug jedoch zunächst nur dazu bei, die Staatsverschuldung dieser Länder zu erhöhen, ohne die Krise in den Griff zu bekommen. Es handelte sich jedoch eindeutig um einen Angebotschock, der durch die Erhöhung der Erdölpreise durch die erdölproduzierenden Länder verursacht wurde. Daher mussten andere Instrumente zur Bewältigung dieser Krise eingesetzt werden, wie beispielsweise geldpolitische Maßnahmen.
Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu und wurde auch von anderen Autoren, wie Gustav Horn in „Des Reichtums fette Beute“ (2011 veröffentlicht), geäußert, trägt jedoch zur wirtschaftlichen Bildung des Lesers bei. In der aktuellen Zeit der Inflation in den 2020er Jahren haben Regierungen und Zentralbanken diese Erkenntnis berücksichtigt und entsprechend gehandelt.
In anderen Worten: Es ist interessant, die verschiedenen Wirtschaftskrisen genauer zu untersuchen, um herauszufinden, ob sie Harold James‘ These standhalten, dass es wichtig ist, zwischen Angebotsschocks und Nachfrageschocks zu unterscheiden und welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben. Insgesamt ist diese These ziemlich überzeugend, aber wie der Autor selbst zeigt, gibt es bei jeder Krise spezifische Faktoren zu berücksichtigen.
Ein Beispiel ist die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933, die James hauptsächlich als einen Nachfrageschock erklärt. Dies bedeutet, dass es einen plötzlichen Rückgang der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen gab, was zu niedrigeren Preisen führte. Die politische Reaktion darauf war, die Nachfrage anzukurbeln und die Preise wieder anzuheben. Obwohl der „Schwarze Freitag“ an der New Yorker Börse oft als Auslöser angesehen wird, argumentiert James, dass allein ein Börsencrash keine so langanhaltende Wirtschaftskrise verursachen könnte. Stattdessen trug eine Bankenkrise in Europa im Jahr 1931 dazu bei, die Krise auf die USA zu übertragen.
Die internationale Finanzkrise von 2008/2009 wird ebenfalls von James als ein Nachfrageschock betrachtet, der durch Probleme im Finanz- und Bankensektor ausgelöst wurde. Dies führte zu einem plötzlichen wirtschaftlichen Abschwung mit Handelsrückgängen, steigender Arbeitslosigkeit und einem Rückgang der Produktion.
In seinem Buch diskutiert James ausführlich, warum nach der Finanzkrise kein starker wirtschaftlicher Aufschwung folgte. Es gibt Debatten darüber, ob Konjunkturpakete größer sein sollten und ob die Lockerung der Geldpolitik angemessen war, um Deflation zu verhindern. Verschiedene Ökonomen haben unterschiedliche Ansichten zu diesen Fragen, und James nimmt keine klare Position ein, da der zeitliche Abstand zu kurz ist, um definitive Schlussfolgerungen zu ziehen.
Das siebte Kapitel des Buches, das den Zeitraum von 2020 bis 2021 behandelt, wird kritisiert, da es aufgrund seiner Nähe zur Gegenwart weniger allgemein gültig ist und bekannte Fakten wiederholt. Auch die Diskussion über Larry Summers und seine Ansichten wird als oberflächlich empfunden.
In Bezug auf die Globalisierung, die im Buch behandelt wird, betont James, dass sie nicht als kontinuierlicher Prozess zu verstehen ist, sondern von Perioden starker Globalisierung und Phasen der Deglobalisierung geprägt ist. Die Impulse zur Globalisierung können unerwartet auftreten, und James beleuchtet die Entwicklungen bis zur Weltfinanzkrise von 2008/2009 recht anschaulich, obwohl einige Leser sich mehr Material gewünscht hätten. Für die Zeit nach 2010 wird jedoch angemerkt, dass es noch zu früh ist, um klare Schlüsse zu ziehen, da die Ereignisse zu aktuell sind und noch nicht ausreichend historisch eingeordnet werden können.
- Herausgeber : Verlag Herder; 1. Edition (10. Oktober 2022)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 544 Seiten
- ISBN-10 : 3451393255
- ISBN-13 : 978-3451393259
- Abmessungen : 14.7 x 4.7 x 22.1 cm