Das Buch „Rote Banditen: Geschichte einer sozialdemokratischen Familie“ von Wilhelmine Goldmann zeichnet ein eindrucksvolles Bild der Arbeiterbewegung in Österreich, insbesondere anhand der Erfahrungen ihrer eigenen Familie. Goldmann gehört zu einer Generation, die erst sehr spät begonnen hat, sich intensiv mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und Fragen zu stellen. Diese späte Auseinandersetzung führte zu einer tiefen Recherchearbeit, um die lange verborgene Geschichte ihrer Familie und deren Verbindung zu den sozialen und politischen Kämpfen der Zwischenkriegszeit ans Licht zu bringen.
Der österreichische Bürgerkrieg von 1934, ein blutiger Konflikt zwischen der konservativen Regierung und der sozialistischen Arbeiterbewegung, spielt eine zentrale Rolle im Buch. Dieser Krieg, der oft im öffentlichen Bewusstsein vernachlässigt wird, hatte weitreichende Folgen für die politische Landschaft des Landes und besonders für die Arbeiterklasse. Goldmann zeigt auf, wie diese Auseinandersetzungen auch das Leben ihrer Eltern und ihrer Familie tiefgreifend beeinflussten. Die Familie wurde, wie viele andere sozialistische Arbeiterfamilien, stigmatisiert und verfolgt. Der Begriff „Rote Banditen“ verweist auf die diffamierende Bezeichnung, die Sozialdemokraten und Anhänger der Arbeiterbewegung von ihren Gegnern bekamen.
Im Mittelpunkt des Buches steht der Lebensweg ihrer Eltern, der exemplarisch für die Entwicklung der österreichischen Arbeiterklasse steht. Diese Geschichte führt von der bitteren Armut und den harten Lebensbedingungen in den Industrieorten Österreichs hin zu einem besseren Leben, das durch Bildung und die Errungenschaften der Arbeiterbewegung möglich wurde. Goldmann beschreibt, wie die politischen und gesellschaftlichen Kämpfe der Zwischenkriegszeit und der Bürgerkrieg von 1934 das Leben ihrer Eltern prägten und wie diese es dennoch schafften, für ihre Kinder eine bessere Zukunft zu erkämpfen.
Das Buch beginnt im Industrieort Traisen, einer kleinen Gemeinde im südlichen Niederösterreich. Traisen war zu dieser Zeit ein Zentrum der Arbeiterbewegung und ein Ort, an dem die politischen und sozialen Konflikte besonders heftig ausgetragen wurden. Goldmann zeichnet ein lebendiges Bild dieses Ortes, in dem ihre Familie und viele andere sozialdemokratisch orientierte Arbeiter lebten. Die schweren Arbeitsbedingungen, die geringe soziale Absicherung und die ständige Bedrohung durch politische Repressionen werden eindrücklich geschildert.
Goldmanns Erzählung ist jedoch nicht nur eine persönliche Familiengeschichte, sondern eine Erzählung, die über das Private hinausgeht und die Geschichte einer ganzen Generation von Arbeitern beschreibt. Es ist eine Geschichte von Widerstand, von Hoffnung und von den Errungenschaften, die durch die Solidarität und den Zusammenhalt der Arbeiterbewegung möglich wurden. Die Sozialdemokratie, die sich in Österreich besonders stark entwickelte, war für viele der einzige Weg, um der bitteren Armut zu entkommen und ein Leben in Würde und Sicherheit zu führen. Dies spiegelt sich in der Geschichte von Goldmanns Eltern wider, die trotz der Rückschläge und der politischen Unterdrückung niemals aufgaben und immer an eine bessere Zukunft glaubten.
Besonders wertvoll ist das Buch, weil es zeigt, wie die großen politischen und sozialen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts das Leben einzelner Menschen und Familien beeinflussten. Goldmann schafft es, die persönlichen Erlebnisse ihrer Eltern in den größeren historischen Kontext einzuordnen und so eine Brücke zu schlagen zwischen der individuellen Erfahrung und den gesellschaftlichen Entwicklungen in Österreich. Sie zeigt, dass die Geschichte ihrer Familie keine isolierte Episode ist, sondern Teil einer viel größeren Erzählung über die Emanzipation und den Aufstieg der Arbeiterklasse in Europa.
Mit „Rote Banditen“ gelingt es Goldmann, eine vergessene oder verdrängte Vergangenheit wieder ins Bewusstsein zu rücken und gleichzeitig zu zeigen, dass die Errungenschaften der Arbeiterbewegung keineswegs selbstverständlich sind. Es ist ein Buch, das die Bedeutung von Bildung, Solidarität und politischem Engagement betont und gleichzeitig dazu anregt, sich mit der eigenen Geschichte und der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.
„Rote Banditen“ von Wilhelmine Goldmann ist ein fesselndes Buch, das die Geschichte einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie im historischen Kontext des österreichischen Bürgerkriegs erzählt. Beeindruckend recherchiert und persönlich zugleich, gibt es einen wertvollen Einblick in die Kämpfe und Errungenschaften der Arbeiterklasse.
- Herausgeber : Promedia (1. Oktober 2023)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 240 Seiten
- ISBN-10 : 3853715230
- ISBN-13 : 978-3853715239
- Abmessungen : 14.8 x 2.4 x 20.4 cm
- 322 Gramm
- 25 Euro