/ Juli 22, 2025/ Buch

„Leicht wie Blei“ von Lena Elfrath – ein bewegendes Buch über Schuld, Freiheit und Selbstbestimmung

Emma hat acht Mal geschossen. Acht Schüsse, die ihr ganzes Leben verändert haben. Sie hat damit ihrem Vater das Leben genommen – einem Mann, der sie jahrelang missbraucht hat. Kein Mensch sollte so etwas durchmachen müssen. Doch Emmas Entscheidung, zur Waffe zu greifen, hat nicht nur ihn getötet – sie hat damit auch ihr eigenes Leben für immer verändert.

Denn acht Schüsse gelten vor dem Gesetz nicht als Notwehr, sondern als vorsätzliche Tötung. Für Emma bedeutet das Gefängnis. Und doch fühlt sie sich dort zum ersten Mal in ihrem Leben sicher. Hinter Gittern ist sie frei von Angst, frei von seinem Blick, seinen Händen, seiner Macht.

In Lena Elfraths Roman „Leicht wie Blei“ erzählt Emma ihre Geschichte – und die geht unter die Haut.

Eine junge Frau, die überlebt hat

Emma ist die Hauptfigur des Romans. Sie ist jung, klug und gleichzeitig tief verletzt. Ihre Kindheit war geprägt von Gewalt – nicht offen sichtbar, sondern versteckt hinter verschlossenen Türen, mitten in der Familie. In Rückblicken, die in kursiver Schrift geschrieben sind, erinnert sich Emma an die schlimmen Jahre.

Was auffällt: Sie nennt ihre Eltern nur „die Frau“ und „der Mann“. Kein „Mama“ oder „Papa“. Diese Distanz in der Sprache zeigt, wie sehr Emma sich innerlich von ihnen abgekoppelt hat – um zu überleben. Sie geht nicht ins Detail, aber man spürt beim Lesen genau, wie tief die Wunden sitzen. Besonders schwer ist es für sie, dass sie ihre Geschwister nicht schützen konnte.

Sicherheit hinter Gittern

Im Gefängnis fühlt Emma sich zum ersten Mal sicher. Keine Männer, keine Bedrohung, keine Angst. Stattdessen findet sie Ruhe – und sogar Freundschaften mit anderen Frauen. Sie beginnt, sich ein kleines Stück neues Leben aufzubauen.

Doch dann wird ihre Geschichte bekannt. Und plötzlich wird Emma zum Symbol einer feministischen Bewegung. Unter einem Hashtag kursiert ihre Geschichte im Internet. Viele sehen in ihr eine Heldin: Eine junge Frau, die sich aus der Gewalt ihres Vaters befreit hat. Eine, die Mut gezeigt hat. Eine, die sich gewehrt hat.

Aber Emma will keine Heldin sein. Und sie will auch kein Opfer sein. Sie sieht sich als Täterin. Denn sie hat abgedrückt – nicht einmal, sondern acht Mal. Und das lässt sie nicht los.

Zwischen Opferrolle und Täterin

Das ist das Spannende an diesem Buch: Es stellt große, schwierige Fragen, ohne einfache Antworten zu geben.

  • Wann ist man Opfer?
  • Wann wird man zur Täterin?
  • Was ist Gerechtigkeit?
  • Darf man Gewalt mit Gewalt beantworten?
  • Kann eine Tat falsch – und gleichzeitig verständlich sein?

All das wird in „Leicht wie Blei“ nicht mit erhobenem Zeigefinger behandelt, sondern ehrlich und offen erzählt – durch Emmas Perspektive. Ihre Gedanken und Gefühle stehen im Mittelpunkt. Man ist ihr ganz nah, man versteht ihren Schmerz und ihren Zweifel.

Entlassung nach 300 Tagen

Eigentlich sollte Emma drei Jahre im Gefängnis bleiben. Doch durch den öffentlichen Druck und die Diskussionen rund um ihre Tat wird sie bereits nach 300 Tagen entlassen. Draußen feiern viele sie weiter als Heldin. Doch Emma kann damit nichts anfangen. Sie will keine Rolle spielen, die andere ihr aufdrängen. Sie will nur endlich sie selbst sein – ohne Angst, ohne Lügen, ohne Etiketten.

Ein Buch, das lange nachhallt

„Leicht wie Blei“ ist kein leichter Roman. Der Titel ist perfekt gewählt – denn er zeigt die Gegensätze: Leichtigkeit und Schwere, Freiheit und Schuld, Leben und Tod.

Der Stil des Buches ist klar, flüssig und gut verständlich. Die Rückblenden sind deutlich abgesetzt, sodass man sich leicht orientieren kann. Besonders schön ist, dass das Buch keine abschließende Antwort geben will. Jeder Leser, jede Leserin soll sich selbst Gedanken machen: Wie sehe ich Emma?

Persönliche Meinung

Das Buch hat mich sehr berührt. Es regt zum Nachdenken an – über Familie, Gewalt, Mut und Gerechtigkeit. Besonders stark finde ich, wie Emma beschrieben wird: Sie ist kein perfektes Opfer, keine makellose Figur – sondern ein echter Mensch mit Widersprüchen, mit Schmerz, aber auch mit Stärke.

Ein kleiner Kritikpunkt von mir ist die teils moderne Jugendsprache. Sie passt zur Hauptfigur, weil Emma jung ist – aber manchmal wirkt sie ein bisschen zu salopp für den ernsten Inhalt. Das ist natürlich Geschmackssache und hat meinen Lesegenuss nur wenig getrübt.

Fazit

„Leicht wie Blei“ ist ein wichtiger, mutiger und emotional tiefgehender Roman. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die Schreckliches erlebt hat – und die trotzdem überlebt. Er zeigt, wie schwer es ist, sich selbst treu zu bleiben in einer Welt, die einen ständig in Schubladen steckt. Und er macht klar: Es gibt keine einfachen Antworten, wenn es um Schuld und Gerechtigkeit geht.

Ein starkes Buch – absolut lesenswert!

  • Herausgeber ‏ : ‎ Edition W GmbH
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 10. Oktober 2022
  • Auflage ‏ : ‎ 1.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 244 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3949671048
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3949671043
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.6 x 20.9 x 2.5 cm
  • 20 Euro

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