/ Dezember 22, 2025/ Buch

Am Meerschwein übt das Kind den Tod“ ist kein klassisches Buch über Trauer – und doch handelt es genau davon. Nora Gomringer schreibt über den Verlust ihrer Mutter. Aber sie tut das nicht pathetisch oder glatt, sondern tastend, fragend, manchmal wütend, manchmal leise, oft überraschend komisch. Es ist ein Nachruf, ja – aber einer, der sich weigert, abgeschlossen zu sein.

Die Mutter, um die es geht, hinterlässt drei Kinder und einen Bindestrich. Dieser Bindestrich steht sinnbildlich für vieles: für Brüche, Übergänge, Unausgesprochenes. Sie hinterlässt Freundinnen, eine große Bibliothek, Eigenheiten, Widersprüche, ein gewisses Unbehagen – und sehr viele Spuren. Die Tochter, die erzählt, versucht nicht, diese Mutter festzuschreiben oder zu erklären. Im Gegenteil: Je mehr sie schreibt, desto deutlicher wird, wie wenig sich ein Mensch wirklich festhalten lässt.

Gomringer schreibt aus verschiedenen Rollen heraus: als Tochter, die vermisst. Als Frau, die sich abgrenzt. Als Dichterin, der manchmal die Sprache fehlt. Immer wieder stößt sie an Grenzen – an Erinnerungen, die sich entziehen, an Bilder, die nicht mehr stimmen wollen. Die Mutter wird nicht verklärt, sondern gezeigt als das, was sie war: vielschichtig, klug, eigenwillig, humorvoll, manchmal schwer auszuhalten. Eine Frau mit Haltung und Widersprüchen, mit Liebe und Distanz.

Der Titel verweist auf eine scheinbar kleine Szene: auf Meerschweinchen, auf Kindheit, auf frühe Begegnungen mit Abschied und Tod. Gerade diese alltäglichen Bilder machen das Buch so nahbar. Es geht nicht um große Gesten, sondern um das, was bleibt: Gespräche, Bücher, Macken, Erinnerungsfetzen. Und um die Frage, wie man mit dem Weiterleben klarkommt, wenn ein zentraler Mensch plötzlich fehlt.

Sprachlich bewegt sich das Buch zwischen Prosa und Lyrik. Manche Passagen sind erzählend, andere verdichten sich zu poetischen Momenten. Es ist kein geradliniger Text, sondern ein Mosaik aus Gedanken, Szenen und Gefühlen. Genau darin liegt seine Stärke: Trauer ist nicht ordentlich, Erinnern ist nicht logisch, Liebe nicht eindeutig.

„Am Meerschwein übt das Kind den Tod“ ist ein Buch über Abschied, aber auch über Selbstständigkeit, über Emanzipation – auf beiden Seiten. Die Mutter hat sich, wie es heißt, nun „himmlisch“ emanzipiert. Die Tochter tut es schreibend. Zwischen Nähe und Abstand, Zärtlichkeit und Widerstand entsteht ein sehr persönlicher, ehrlicher Text.

Ein Buch für Menschen, die Verlust kennen. Für Leserinnen und Leser, die keine fertigen Antworten suchen, sondern Sprache für das Unklare. Und für alle, die wissen: Manchmal sagt Literatur dort etwas, wo normale Worte nicht mehr reichen.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Verlag Voland & Quist
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 15. September 2025
  • Auflage ‏ : ‎ 2.
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 208 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3863914619
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3863914615
  • Abmessungen ‏ : ‎ 14.5 x 2.1 x 20.2 cm
  • 22 Euro

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