Joanna Bator
Die Schriftstellerin Joanna Bator bewundere ich seit langem, und ohne zu zögern kann ich bekunden, dass sie meine bevorzugte Autorin aus Polen ist. Wie keine andere vermag sie tief in die weibliche Psyche einzudringen und Geschichten zu verfassen, in denen jede von uns einen Teil ihres Selbst – ihrer Erfahrungen, Emotionen und Wünsche – wiedererkennen kann. Joanna Bator widmet sich dem Schreiben über Frauen und für Frauen, ohne in Plattitüden oder billigem Sentimentalismus zu verfallen.
Meistens handelt es sich um Erzählungen, die von Traumata und Leid geprägt sind, jedoch trotzdem Hoffnung auf die Zukunft vermitteln. In „Gorzko, gorzko“ hat die Autorin eine meisterhafte Leistung vollbracht. Dieser Roman ist umfassend und entführt den Leser in die Welt von vier Generationen von Frauen, die es wagen zu träumen, an die Liebe zu glauben und das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Jede von ihnen hat ihren eigenen Everest (eher Kilimandscharo), den sie erreichen möchte, und dabei stolpern und verletzen sie sich auf dem Weg schwer.
Berta träumt von einer Liebe, für die sie alles opfern würde. Barbara sehnt sich nach Ruhe, die ihre innere Leere beruhigen und es ihr ermöglichen würde, sich von einer Welt abzuschotten, die ihr fremd ist.
Violetta (mit V und zwei t) hält sich für etwas Besonderes und träumt von einem Märchenleben, dem sie nachjagt und dabei gute und wertvolle Dinge übersieht, die ihr unterwegs begegnen.
Kalina wiederum möchte verstehen, warum sie mit dem Stigma eines ungeliebten, von der Mutter abgelehnten und gleich nach der Geburt verworfenen Kindes leben muss. Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Tochter.
Die Schicksale dieser vier Frauen bilden eine berührende Saga über Mut, das Streben nach Freiheit und die Suche nach Liebe. Es ist auch eine Erzählung über die Herausforderungen des Mutterseins, einschließlich der Tatsache, dass man nicht immer sein Kind bedingungslos liebt. Manchmal ist es ein mühsamer und harter Prozess, der auch keinen Erfolg garantiert. Und all das vor dem Hintergrund der bewegten Geschichte des letzten Jahrhunderts, in dem Kriege, Kommunismus und politische Umbrüche Teil des Lebens der Protagonistinnen waren. Dies ist keine leichte und angenehme Lektüre. Sie durchzieht Traurigkeit, Enttäuschung, aber auch Hoffnung. Joanna Bator zeigt alle Schattierungen der Weiblichkeit, bei denen es mehr Grautöne als fröhliches Rosa gibt. Ich habe mich in dieser Geschichte restlos verloren, die Abenteuer der Figuren hautnah miterlebt und darauf gehofft, dass sie letztendlich ihr Lebensziel erreichen. Doch das Schicksal spielt mit markierten Karten, und ich habe nicht auf den letzten Satz „sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ gewartet. Dies ist einer der bewegendsten Romane, die ich je gelesen habe.
Die Geschichte über vier Generationen von Frauen ist mitreißend, einfühlsam und zeigt die Vielschichtigkeit der Weiblichkeit. Eine literarische Perle, die mich von Anfang bis Ende fesselte. Bravo für eine bewegende Erzählung voller Mut, Liebe und Freiheitsdrang!
- Herausgeber : Suhrkamp Verlag; 1. Edition (29. Oktober 2023)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 829 Seiten
- ISBN-10 : 3518431315
- ISBN-13 : 978-3518431313
- Originaltitel : Gorzko, gorzko
- 34 Euro