/ September 11, 2022/ Romane

Martin beschreibt in seinem Roman „Jahre mit Martha“ die jungen Jahre seines Protagonisten Željko. Die Eltern von ihm waren kroatische Einwanderer aus Herzegowina. Die Story spielt zur Zeit Ende der 1990er Jahre und er ist 15 Jahre alt, als er der titelgebenden, deutlich älteren Martha auf einem Geburtstagsfest seiner Mutter zum ersten Mal begegnet.

Einfachherheit lässt sich Željko als Jimmy rufen, einen Namen, den er in den ersten Monaten der fünften Klasse im Englischunterricht zugewiesen bekam und dann behalten hat. Seine Eltern arbeiten mehr als die üblichen wöchentlichen Arbeitsstunden.

Der Vater von Željkos arbeitet auf Baustellen weit außerhalb von Ludwigshafen. In Ludwigshafen wohnt die fünfköpfige Familie in einer Zweizimmerwohnung.

Željko ist als Jugendlicher in handwerklichen Arbeiten geschickt und kann Aufgaben bei Nebenjobs der Eltern übernehmen. Martha ist eine Arbeitgeberin seiner Mutter, die ihn in den Sommerferien als Gartenhilfe engagiert. In dieser Zeit lernen die beiden sich näher kennen und schätzen.

Es ist ungewöhnlich von der Liebe zu Martha zu lesen. Ich hätte nicht gedacht, das man eine Beziehung über viele Kilometer hinweg aufrechterhalten kann. Željko findet bei Martha eine Welt, die er so bisher nicht kannte und die er zum Vorbild nimmt. Als Professorin verfügt die geliebte Frau über ein hohes Wissen, das sie aber nicht zur Schau stellt. Ihre Einkünfte ermöglichen ihr ein scheinbar unbeschwertes Leben und sie verfügt über einen guten Ruf. Er stellt erst sehr viel später fest, dass nicht alles im Leben käuflich ist. Martha kann mit Željko gemeinsam unbeschwert lachen. Vielleicht hängt sie auf diese Weise einer verlorenen Jugend nach.

Martha ermöglicht Željko ein Studium. Dadurch erhält sie für ihn einen besonderen Wert.

Die Liebe von ihm zu ihr wird dadurch meiner Meinung nach nicht beeinflusst. Er fühlt sich frei darin, Zuneigung in allen Formen zu geben und zu empfangen. Während des Studiums lernt er einen Literaturprofessor kennen. Schnell merken beide, dass sie die gleichen Ansichten teilen. Erneut hat er jemanden gefunden, dem er nacheifern möchte. Er gewinnt dessen Vertrauen und übernimmt bald einen Teil der Arbeit für ihn. Dafür erhält er einen Obolus, aber keine Sicherheiten. Er sieht, wie beliebt die Lehrkraft bei den Studenten ist und freut sich über die Aufmerksamkeit, die sein eigenes Wissen erreicht. Sein Selbstvertrauen wächst, seine Vergangenheit als Kind von Einwanderern hat er zu dem Zeitpunkt hinter sich gelassen. In seiner Arglosigkeit erkennt er die Abhängigkeit, in die er sich begibt, baut jedoch auf Vertrauen.

Positiv beeindruckt war ich vom Schreibstil des Autors. Interessant eingebunden sind nebensächliche Details, die ihn prägten. Nennenswert sind hier vor allem Probleme in der Schule, die Sparsamkeit der Eltern und der anhaltende ständige Vergleich von Migranten mit Deutschen, die Željko erlebt. Zu einem Zeitpunkt, als ich nicht damit rechnete, brachte Martin Kordić mich als Leserin in ein anderes Land zu anderen Sitten und Gebräuchen. Dadurch erlebte ich nochmal eine weitere Seite des Protagonisten, die ihm einen Teil seiner Identität gibt und mich bewegt hat. Hierin spürte ich die Verbindung des Autors zu Selbsterfahrenem und die gute Recherche.

In seinem Roman „Jahre mit Martha“ lässt Martin Kordić seinen Protagonisten erzählen, wie er verschiedene Phasen in seiner Jugend durchlaufen musste, um zu erkennen, was ihn selbst ausmacht. Dazu gehört seine Liebe zu der wesentlich älteren Martha, aber auch seine Herkunft und die Erfahrungen an der Seite weiterer Weggefährten. Gerne empfehle ich diese beeindruckende und ergreifende Geschichte weiter

  • Herausgeber ‏ : ‎ S. FISCHER; 2. Edition (31. August 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 288 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 310397163X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3103971637
  • Abmessungen ‏ : ‎ 12.5 x 2.9 x 20.5 cm

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