„Kickl: und die Zerstörung Europas“ von Gernot Bauer und Robert Treichler ist ein tiefgehendes und sachlich geschriebenes Buch, das sich mit der Figur Herbert Kickl und seinem Einfluss auf die politische Landschaft Österreichs und Europas auseinandersetzt. Herbert Kickl ist eine prägende Figur der österreichischen Politik, insbesondere bekannt durch seine Rolle in der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) und seine Zeit als Innenminister. Diese Biografie versucht, Licht auf die vielschichtige Persönlichkeit von Kickl zu werfen und gleichzeitig seine Bedeutung im Kontext des aufstrebenden Rechtspopulismus in Europa zu beleuchten.
Herbert Kickl war fast drei Jahrzehnte lang im Hintergrund tätig, ein „Mann im Schatten“, der sich durch seine rhetorische Schärfe und seine Fähigkeit, mit Worten zu polarisieren, einen Namen gemacht hat. Er begann seine Karriere als Redenschreiber für den bekannten FPÖ-Politiker Jörg Haider und war maßgeblich daran beteiligt, Heinz-Christian Strache als Vizekanzler Österreichs in Position zu bringen. Kickls Fähigkeit, durch provokante Slogans und eingängige Parolen die Massen zu mobilisieren, trug wesentlich zu seinem Aufstieg innerhalb der FPÖ bei. Diese Art der Kommunikation, die früher oft als zu radikal angesehen wurde, entspricht heute jedoch einem Zeitgeist, der in vielen Teilen Europas an Einfluss gewinnt und die liberale Demokratie herausfordert.
Bauer und Treichler gehen in ihrer Biografie weit über eine bloße Darstellung von Kickls politischen Erfolgen hinaus. Sie zeigen ihn als einen komplexen Charakter, der nicht nur durch seine politischen Ambitionen, sondern auch durch persönliche Eigenschaften wie eine tiefe Grundaggressivität und ein stets vorhandenes Misstrauen geprägt ist. Diese Eigenschaften haben Kickl geholfen, in der politischen Arena zu bestehen, haben ihn aber auch in Konflikte gebracht, die seine Karriere immer wieder erschütterten. Besonders hervorzuheben ist, dass Kickl der erste Minister in Österreich seit 1945 war, der seines Amtes enthoben wurde, ein Ereignis, das seine Kontroversität unterstreicht.
Die Autoren zeichnen ein Bild von Kickl als einem asketischen Ideologen, der hart zu sich selbst und anderen ist. Er gilt als wankelmütiger Volkstribun, der zwar die Massen hinter sich scharen kann, aber in seiner Rolle als Volksvertreter oft unsicher wirkt. Diese Unsicherheit wird von Bauer und Treichler als eine der treibenden Kräfte hinter Kickls Misstrauen und seiner Neigung zu extremen Positionen interpretiert.
Ein zentrales Thema des Buches ist die Macht der Sprache, die Kickl meisterhaft einzusetzen versteht. Die Autoren zeigen auf, wie er mit einfachen, aber wirkungsvollen Parolen breite Bevölkerungsschichten erreicht und sie für seine politischen Ziele mobilisiert. Diese Fähigkeit, Menschen durch Worte zu bewegen, hat nicht nur in Österreich, sondern auch in ganz Europa Aufmerksamkeit erregt. In der Biografie wird der Bogen gespannt von Kickls Anfängen als Redenschreiber bis hin zu seiner Zusammenarbeit mit anderen prominenten rechtspopulistischen Figuren in Europa wie Alice Weidel, Viktor Orbán und Marine Le Pen. Diese Netzwerke und Allianzen machen deutlich, dass Kickl nicht nur eine lokale, sondern eine internationale Bedrohung für die liberale Demokratie darstellt.
Die Biografie stellt die Entwicklung der FPÖ in den letzten Jahrzehnten dar und zeigt, wie die Partei unter Kickls Einfluss zu einer der führenden politischen Kräfte in Österreich aufstieg. Besonders interessant ist die Analyse der Beziehung zwischen Kickl und Haider, die von gegenseitiger Abhängigkeit, aber auch von Spannungen geprägt war. Diese Beziehung hat die FPÖ und ihre politische Ausrichtung nachhaltig geprägt und ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis von Kickls Aufstieg.
Das Buch bleibt jedoch nicht bei einer bloßen Beschreibung von Kickls Karriere und seinen politischen Strategien stehen. Es geht tiefer und versucht, die psychologischen und ideologischen Wurzeln seiner Handlungen zu ergründen. Bauer und Treichler haben intensiv recherchiert und viele Zeitzeugen befragt, um ein umfassendes Bild von Kickl zu zeichnen. Sie sprechen mit Freunden, Kollegen und politischen Gegnern, um ein ausgewogenes Porträt dieses umstrittenen Politikers zu schaffen. Durch diese multiperspektivische Herangehensweise gelingt es den Autoren, Kickl nicht nur als Politiker, sondern auch als Mensch greifbar zu machen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Buches ist die Einbettung der FPÖ in den größeren Kontext der europäischen Rechten. Bauer und Treichler analysieren die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der FPÖ und anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Sie zeigen, dass es zwar Unterschiede in den Programmen und Strategien gibt, dass diese Parteien aber in ihrem Kern ein gemeinsames Ziel verfolgen: die Schwächung der liberalen Demokratie, um ihre eigenen autoritären Vorstellungen durchzusetzen.
Die Autoren werten in ihrem Buch nicht, sondern analysieren sachlich. Sie zeigen die Gefahr auf, die von Kickl und seinen Mitstreitern ausgeht, ohne in Polemik zu verfallen. Diese nüchterne Herangehensweise macht das Buch besonders wertvoll, weil es den Leser dazu anregt, sich selbst eine Meinung zu bilden. Bauer und Treichler liefern die Fakten und Analysen, aber die Schlussfolgerungen muss der Leser selbst ziehen.
„Kickl: und die Zerstörung Europas“ ist somit mehr als nur eine Biografie. Es ist eine kritische Auseinandersetzung mit einem Politiker, der die politische Landschaft Österreichs und Europas nachhaltig verändert hat. Es ist ein Weckruf für alle, die die Zukunft der Demokratie in Europa sichern wollen. Durch die detaillierte Darstellung von Kickls Leben und Wirken wird deutlich, dass es nicht ausreicht, rechtspopulistische Tendenzen einfach zu ignorieren. Vielmehr müssen sie verstanden und aktiv angegangen werden, um die Werte der liberalen Demokratie zu bewahren.
Das Buch ist ein Muss für jeden, der sich für die politischen Entwicklungen in Europa interessiert und die Mechanismen verstehen will, durch die populistische Bewegungen an Macht gewinnen. Es ist zugleich eine spannende und informative Lektüre, die zeigt, dass die Gefahr, die von Figuren wie Kickl ausgeht, real und greifbar ist. Nach der Lektüre dieses Buches wird niemand mehr sagen können: „Wir haben es nicht gewusst.“
- Herausgeber : Paul Zsolnay Verlag; 2. Edition (15. April 2024)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 256 Seiten
- ISBN-10 : 3552075038
- ISBN-13 : 978-3552075030
- Abmessungen : 13.6 x 2.3 x 20.8 cm
- 357 Gramm
- 25 Euro