Der siebte Teil der David-Hunter-Reihe ist da, und ja, Knochenkälte ist genau das, was der Titel verspricht: düster, fiebrig spannend, gnadenlos atmosphärisch – und so verdammt gut, dass man spätestens nach den ersten Seiten alles vergisst: Termine, Schlaf, soziale Verpflichtungen, Existenz. Dieses Buch packt dich wie eine eiskalte Hand im Nacken und flüstert: „Weiterlesen.“
Schon der Einstieg? Ein Brett.
Ein umgestürzter Baum, entwurzelt vom Sturm, und darin – ein Skelett, verschlungen vom Wurzelwerk, als hätte der Wald selbst den Körper behalten wollen. Keine Fake-Schockkulisse, kein billiger Effekt – sondern richtig unheimlich, intensiv, unangenehm real. Genau diese Art von Gänsehautmoment, für die man Simon Beckett liebt.
Und mittendrin: Dr. David Hunter.
Dieses Gefühl, ihn wiederzubekommen, ist ein bisschen wie der Moment, wenn deine Lieblingsserie nach Jahren überraschend mit einer neuen Staffel zurückkommt. Hunter ist wieder da – analytisch, empathisch, still, und trotzdem jemand, der dich als Leser auf eine Art fesselt, die schwer zu erklären ist. Er ist kein Superheld, kein Action-Monster, sondern jemand, der die Wahrheit sucht – auch wenn sie weh tut.
Diesmal landet er unfreiwillig in den Cumbrian Mountains. Winter. Sturm. Ein Dorf, das so abweisend ist, als hätte man in eine laufende Beerdigung hineingegrinst. Die Leute von Edendale machen ganz klar: Du bist hier nicht willkommen.
Und als Leser spürt man das sofort. Die Atmosphäre ist dicht, bedrückend, fast schon beklemmend. Man fühlt regelrecht, wie die Kälte unter die Haut kriecht.
Und dann bricht der Sturm die Verbindung zur Außenwelt ab – wie ein brutales „Du bleibst hier und du wirst das durchstehen.“ Kein Entkommen. Keine Hilfe. Kein Rückzug.
Hunter versucht trotzdem, den Fund zu melden – logisch, er ist Forensiker –, aber was in diesem Dorf vorgeht, ist größer und dunkler als ein Knochenfund im Wald. Geheimnisse. Misstrauen. Schweigen. Und natürlich: eine Vergangenheit, die längst hätte begraben bleiben sollen.
Beckett macht wieder das, was er am besten kann:
Er baut Spannung nicht mit Explosionen auf, sondern mit Atmosphäre, mit Details, mit Stille. Mit Blickwinkeln, die man eigentlich nicht kennen will. Hier knackt kein Ast zufällig – hier bedeutet jedes Geräusch etwas.
Man liest und denkt ständig: „Wen kann man hier überhaupt trauen?“
Antwort: vielleicht niemanden.
Und das Beste? Dieser Band fühlt sich reifer an, noch präziser, noch düsterer – aber immer auf diese hochintelligente Thriller-Art, bei der man beim Lesen das Gefühl bekommt, selbst Teil der Ermittlung zu sein. Man lernt, man rätselt, man spürt diese kalte Wissenschaftlichkeit – und gleichzeitig die Menschlichkeit, die Hunter nie verliert.
Wer Simon Beckett kennt, weiß:
Er liefert keine netten Krimispaziergänge. Er liefert mentale Horrorhäuser – elegant geschrieben, medizinisch fundiert, atmosphärisch so dicht, dass man wirklich kurz den Atem anhält.
Knochenkälte ist ein Must-Read für alle Thrillerfans. Ein Comeback, das sich nicht nur lohnt – sondern nachhallt. Wenn du beim Lesen irgendwann kurz aussetzt und merkst, dass du die Schultern hochgezogen hast oder die Stille im Raum irgendwie beunruhigend wirkt: Glückwunsch. Dann macht das Buch genau das, was es soll.
- Herausgeber : Rowohlt Wunderlich
- Erscheinungstermin : 5. November 2025
- Auflage : 2.
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 464 Seiten
- ISBN-10 : 3805200544
- ISBN-13 : 978-3805200547
- Originaltitel : The Bone Garden
- Abmessungen : 13.6 x 3.73 x 21 cm
- 26 Euro
