
Lasst mich einfach hier sitzen und Yakisoba essen ist ein Roman, der die Absurditäten der modernen Arbeitswelt auf eine Art und Weise seziert, die gleichzeitig komisch, surreal und tiefsinnig ist. Kikuko Tsumura schafft es, die alltäglichen Tücken des kapitalistischen Systems so zu verdichten, dass sie nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen. Ihre Erzählerin ist müde – müde von endlosen Aufgaben, absurden Ritualen und den stetigen Anforderungen, die das Arbeitsleben ihr abverlangt. In einer Welt, in der Produktivität und Leistung über alles gestellt werden, sucht sie nach einem Job, der möglichst wenig von ihr verlangt, der sie nicht überanstrengt und bei dem sie am besten einfach nur existieren darf.
Doch selbst diese scheinbar einfachen Wünsche führen zu unerwarteten Problemen. Die Erzählerin stolpert von einem skurrilen Ort zum nächsten: Läden verschwinden wie von Zauberhand vom Erdboden, sie begegnet mysteriösen Sekten und arbeitet in einem Landschaftspark, der von einem Geist heimgesucht zu sein scheint. Jede Anstellung, so harmlos sie anfangs wirken mag, entwickelt ihre eigenen Tücken. Damit wirft der Roman ein Schlaglicht auf die absurden Strukturen der Arbeitswelt und zeigt, wie sehr Systeme Menschen formen, manchmal unterdrücken und oft schlicht verunsichern.
Tsumura nutzt Humor und Surrealität, um ernsthafte Themen zu beleuchten. Die Handlung pendelt zwischen Realität und bizarrer Überhöhung, wodurch alltägliche Situationen auf groteske Weise gespiegelt werden. Die skurrilen, fast traumartigen Szenen wirken zunächst komisch, lassen aber zunehmend eine unterschwellige Kritik erkennen: Das Problem liegt nicht bei der Erzählerin, sondern im System, das Erwartungen und Regeln über die Bedürfnisse und das Wohlbefinden der Menschen stellt. Durch diesen Ansatz wird der Roman zu einer Art Spiegel der modernen Arbeitsgesellschaft – ironisch, übertrieben und dennoch zutiefst treffend.
Die Erzählerin selbst bleibt dabei nahbar und menschlich. Ihre Müdigkeit, ihre kleinen Wünsche und ihre Reaktionen auf das Absurde sind nachvollziehbar, wodurch Leserinnen und Leser sich leicht mit ihr identifizieren können. Gleichzeitig bietet die Geschichte genug Distanz, um über die Strukturen und Mechanismen der modernen Arbeitswelt nachzudenken, ohne dass der Roman belehrend wirkt. Diese Balance aus Satire, surrealer Komik und Reflexion macht das Buch zu einem einzigartigen Leseerlebnis.
Kikuko Tsumura spielt mit Sprache, Alltag und absurden Elementen, um ihre Kritik am neoliberalen Arbeitsideal zu verdichten. Jede Szene hat einen doppelten Boden: auf der einen Seite amüsant und unterhaltsam, auf der anderen Seite eine scharfsinnige Beobachtung der gesellschaftlichen Realität. Dabei wirkt der Roman manchmal beunruhigend, da er die Mechanismen der Ausbeutung, Entfremdung und der ständigen Leistungsanforderung so unverblümt darstellt, dass Leserinnen und Leser die Tragik hinter der Komik spüren. Es entsteht ein Sog, der gleichzeitig fesselt, zum Lachen bringt und nachdenklich stimmt.
„Lasst mich einfach hier sitzen und Yakisoba essen“ ist damit mehr als nur eine absurde Erzählung über Arbeit. Es ist ein Kommentar auf die Herausforderungen des modernen Lebens, ein Manifest für kleine Wünsche nach Einfachheit und Selbstbestimmung, und eine Einladung, das System zu hinterfragen, in dem wir uns bewegen. Tsumuras Roman gelingt es, komplexe gesellschaftliche Kritik leicht zugänglich zu machen, ohne dass er seine Tiefe verliert. Surreal, böse, lustig und hellsichtig zugleich, bleibt das Buch lange im Gedächtnis und regt dazu an, über die eigenen Prioritäten und das Verhältnis von Arbeit, Freiheit und Selbstbestimmung nachzudenken.
Für alle, die Alltagssatire, scharfsinnige Gesellschaftskritik und surrealen Humor lieben, ist dieser Roman ein Muss. Kikuko Tsumura zeigt, dass man die Absurditäten des modernen Lebens mit Humor betrachten kann, ohne die Ernsthaftigkeit der Thematik zu verlieren – und dass manchmal das einfache Yakisoba-Essen ein Akt der Rebellion sein kann.
- Herausgeber : Eichborn
- Erscheinungstermin : 31. Oktober 2025
- Auflage : 1. Aufl. 2025
- Sprache : Deutsch
- Seitenzahl der Print-Ausgabe : 304 Seiten
- ISBN-10 : 3847902245
- ISBN-13 : 978-3847902249
- Originaltitel : There’s no such thing as an easy job
- Abmessungen : 13.5 x 2.5 x 21.5 cm
- 18 Euro
