/ Juni 23, 2022/ Romane

Helene gilt seit ihrem gefeierten Debüt „Axolotl Roadkill“ im Jahr 2010 als Jungstar der deutschen Literatur. Mit grade mal 18 Jahren war sie nur wenig älter als ihre Protagonistin, die viele Drogen nahm, Techno-Clubs der Stadt aufsuchte und in einer Berliner WG lebte.

Nun ist Helene Hegemann älter geworden – 30 Jahre alt. Die Darsteller in Ihrem neuen Werk „Schlachtensee“ sind ebenfalls gealter.

Helene Hegemann erzählt viel von Tieren – in fast jeder ihrer „Stories“ tauchen sie auf: tote Tiere, wilde Tiere, sterbende Tiere.

Von einer Reise nach Russland kommt eine Erzählerin mit einer schrecklichen Augenentzündung zurück.

Beim Bad in der Wolga schwamm der Kadaver einer Kuh an ihr vorbei.

Warscheinlich hat den Kadaver jemand in den Fluss geworfen hatte. Es wird vermutet das diese Begegnung im Wasser die schlimme Entzündung ausgelöst hat.

Dieser Vorfall ist das Ende einer Beziehungsverwicklung, die in Rückblenden erzählt wird.

Mit einem sehr viel älteren Griechen ist die junge Frau verheiratet. Ebenfalls ist die junge Frau mit einem russischen Oligarchen verbandelt – aber eigentlich mag sie lieber Frauen. Das ergibt ein eher unübersichtliches Drei-, Vier- oder Fünfecksverhältnis ergibt. Da kann sogar eine tote Kuh die Rettung sei

In der Story „Von Blesshühnern, Wildschweinen und Pfauen“wird von der 19-jährige Minute erzählt. Sie möchte gern den 27-jährigen Drogendealer und Hausbesitzer Dustin lieben.

Doch plötzlich taucht ein Blesshuhn auf, das sich mit einem geschwollenen und schwarz angelaufenen Bein im Schilf versteckt und gerettet werden muss.

Merkwürdigerweise haben die Menschen, die sich auf ihren drogengestützten Partys ziemlich umstandslos berühren, eine Scheu, das Tierchen anzufassen. Sie stehen den Tieren – den Fremden und Unbekannten – ohne jedes Verständnis gegenüber. Auf eine direkte erschreckende Art sind Tiere lebendig. Das empfinden sie auch bei Wildschweinrotte als diese Dustin und Minute bedrohlich umringt. Nach der Einnahme von Ecstasy sprechen die Menschen bei der Suppe über serbische Scharfschützen in Sarajevo, die dort während des Krieges Frauen und Kinder an der Wasserstelle abgeschossen haben sollen.

In der „Pfauengeschichte“ berichten Bekannte in den USA von ihrem seltsamen Nachbarn, der einen wilden Pfau auf seinem Grundstück mit einem einzigen Schlag mit dem Golfschläger getötet haben soll. Aber die Bekannten – die sich darüber beschweren – haben ihrerseits Probleme mit ihren Hühnern.

Ohne eine Ahnung kauften sie vier Hähne. Diese wurden ins Hühnerhaus gesetzt. Dort haben sie sich gegenseitig umgebracht – die Hennen rannten in Panik fort. Eine mit der Geschichte transportierte Kritik an wohlfeiler Moral und alternativem Lebensstil ist billig.

Bei der Geschichte „Porträt der jüngeren Generation, die ratlos um sich selber kreiselt“ geht es um Randfiguren, die zu Ich-Erzählerinnen werden. Summierend ein Porträt der jüngeren Generation der 20-, 30-Jährigen, die allesamt ratlos um sich selber kreiseln. Bei dieser Generation haben Zukunftsfragen, Politik und Gesellschaft keine Chance. Die Generation versinkt in sich selbst und im eigenen, mit Zynismus nur notdürftig kaschiertem Weltschmerz, den auch Drogen nicht lindern können.

Im Werk wird ein verzweiflungsvolles Bild, das wenig Hoffnung lässt aufgezeigt.

Eine junge, schwer angeschlagene Frau ist symptomatisch für die allgemeine Orientierungslosigkeit dargestellt. Sie möchte mit dem Zug ihr Heimatdorf in den österreichischen Alpen erreichen. Leider schläft sie immer wieder ein und verpasst den Ausstieg. Sie fährt ziellos sie hin und her, ohne je anzukommen: Eine Odyssee auf der Stelle, die ins Nirvana der eigenen Träume führt.

Texte, die Hegemanns Figuren durch den Kopf gehen werden gesprochen – zum Teil sprachlich kraftvoll, häufig originell, aber oft ohne ein bestimmtes Thema.

Helene Hegemann weiß, das ihre Erzählstimme eine militante Poetik in den Mund gelegt wird.

Man sollte ein Maß an Schmerzempfänglichkeit beim Lesen der Stories mitbringen um das Unkonventionelle, Ungebundene, Unzugehörige zu mögen.

Helene Hegemann schreibt wie kein Anderer über Weltschmerz

  • Herausgeber ‏ : ‎ Kiepenheuer&Witsch; 1. Edition (9. Juni 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 272 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 346200168X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3462001686
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.3 x 2.6 x 20.8 cm

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