Nathan Hill, Dirk van Gunsteren, Stephan Kleiner
Unter ungewöhnlichen Bedingungen lernen sich Jack und Elizabeth in Chicago kennen und entwickeln eine tiefe Liebe, die sie zu einem scheinbar perfekten Paar macht. Nach einigen Jahren schließen sie den Bund der Ehe und bekommen ein einzigartiges Kind. Doch allmählich schleicht sich die Monotonie in ihr Leben. Während Jack zufrieden ist und akzeptiert hat, dass er nun in gewisser Weise etabliert ist – etwas, womit er nie gerechnet hätte –, spürt Elizabeth Unruhe. Eine innere Unruhe, die darauf hindeutet, dass sie nach etwas Neuem strebt.
In der intensiven Phase des Verliebtseins hat das junge Paar einander entscheidende Details aus ihrer Kindheit vorenthalten oder sie so stark verschönert, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Nathan Hill webt geschickt, behutsam und eloquent die individuellen Hintergründe seiner Hauptfiguren. Ein Blick hinter die Kulissen dieses Paares ist nicht nur von Natur aus faszinierend, sondern der Autor beleuchtet die Beziehung auf eine Weise, die das ursprüngliche Bild von Jack und Elizabeth langsam wie ein Karussell dreht. Es entfaltet sich kontinuierlich, Facette um Facette fügt sich zusammen, bis das Gesamtbild abgerundet ist und die verborgenen Abgründe sichtbar werden.
Elizabeth entstammt der wohlhabenden Oberschicht und ist mit einem Vater aufgewachsen, mit dem die Beziehung schwierig war, und dies hat sie als Kind und Jugendliche beinahe an innerer Einsamkeit zugrunde gerichtet. Im Gegensatz dazu ist Jack ein Landei mit bescheidenem Ursprung. Er wird von seiner dominierenden Mutter beherrscht, die ihren gesamten Lebensfrust auf Jack ablädt, ihn emotional missbraucht und in einem Zustand der Kleinheit hält. Einzig seine ältere Schwester erkennt das Potential, das in Jack steckt, und ermutigt ihn bei ihren seltenen Besuchen im Elternhaus. Dank ihr ist er in der Lage, seine beklemmende Familie zu verlassen und wird fast zufällig zu einem gefragten Künstler in der Szene von Chicago.
Nathan Hill schildert die einzigartige Pracht der amerikanischen Prärie, erläutert die Geschichte ihrer Besiedlung und führt uns in das Phänomen der gezielten Abfackelung von Weiden ein, da Jacks Vater ein Spezialist für Brandrodung ist, eine gefährliche Aufgabe. Hill verdeutlicht uns durch die Prärielandschaft, dass die innere Wahrnehmung die äußere beeinflusst. Wenn zwei Menschen aus demselben Fenster schauen, erblicken sie nicht dasselbe. Während Jacks Schwester als Malerin die Schönheit der Prärie in ihren Werken einfängt, betrachtet der Vater das Land nur als brennbares oder nicht brennbares Material. Die Mutter wiederum sieht in den Graswellen nur Langeweile und eigentlich das Nichts, das ihr Leben ausmacht, so ihre Meinung.
In späteren Lebensabschnitten bekriegen sich Jack und sein Vater über Facebook, wobei der Vater seltsamerweise zu einem Querdenker geworden ist. Jack ist fassungslos und versucht, ihn eines Besseren zu belehren.
Nathan Hill enthüllt dem Leser das tatsächliche Blatt, das die Protagonisten in ihrem Lebenspoker halten. In den Facebook-Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn bleibt Entscheidendes verborgen, bis es zu spät ist. Niemand gewährt dem anderen Einblick in sein Blatt, und so entsteht die perfekte Täuschung. Der Autor regt dazu an, über die Verschwiegenheit des Entscheidenden in zwischenmenschlichen Beziehungen nachzudenken. Zudem erklärt er auf unterhaltsame Weise, wie leicht man abrutscht, wenn man nicht versteht, wie ein Algorithmus funktioniert.
Nathan Hill verzichtet darauf, den moralischen Zeigefinger zu erheben; stattdessen konfrontiert er den Moralismus, indem er Zitate von Ausbeutervätern verwendet, die ihren Kindern vorhalten, dass sie alle von den Sünden der Vorvorväter profitieren. Er stellt die Frage, ob nicht im Grunde alles im Westen auf Ausbeutung basiert und unser allgemeiner Luxus nicht mit Blut und Tränen erkauft ist. Die Maskerade der Heuchelei wird enthüllt.
Mit Elizabeths beruflichem Werdegang, der ein Studium in Psychologie und anderen geisteswissenschaftlichen Fächern umfasst, führt uns Nathan Hill in die Sphäre der Pharmazie und Placeboforschung, auch als Wellness bekannt. Plötzlich erscheinen nicht nur die Beziehung von Elizabeth und Jack in einem neuen Licht, sondern auch ihre Verbindungen zu Nachbarn und generell zu allen menschlichen Beziehungen. Der Autor wirft die Frage auf, ob die Liebe selbst nicht letztendlich eine Illusion ist.
Zusätzlich spielt der Immobilienmarkt eine Rolle, insbesondere ein Immobilienhändler, der sich selbst überschätzt und dem Jack und Elizabeth all ihre Ersparnisse anvertraut haben.
Nathan Hills „Wellness“ begeistert mit fesselnder Gesellschaftskritik und raffinierter Charakterentwicklung. Seine Sprache entfaltet eine tiefe, unterhaltsame Welt, die den Leser nachdenklich und erwartungsvoll zurücklässt. Ein literarisches Meisterwerk!
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- Herausgeber : Piper; 2. Edition (2. Januar 2024)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 736 Seiten
- ISBN-10 : 3492072143
- ISBN-13 : 978-3492072144
- Originaltitel : Wellness
- Abmessungen : 14.5 x 4.5 x 21.9 cm
- 28 Euro