/ Dezember 30, 2025/ Romane

„Was wir für wahr gehalten haben“ ist so ein Roman, der leise anfängt – und dich dann emotional richtig festhält. Kein lautes Drama, sondern eine Geschichte, die unter die Haut geht, weil sie ehrlich ist, tiefgründig und lange nachwirkt. Michelle Shocklee erzählt hier von Verlust, Schuld, Liebe und davon, wie brüchig das sein kann, was wir für unumstößliche Wahrheiten halten.

Wir starten im Tennessee des Jahres 1969: Mattie Taylor ist innerlich auf der Flucht. Seit dem Tod ihres Zwillingsbruders Mark fühlt sich nichts mehr richtig an, also ist sie gegangen – weg von ihrer Familie, weg von Erinnerungen, weg vom Schmerz. Als sie erfährt, dass ihre Mutter im Sterben liegt, bleibt ihr keine Wahl: Sie muss zurück. Doch das Zuhause, das sie erwartet, ist angespannt, voller unausgesprochener Dinge und alter Wunden. Und dann ist da diese geheimnisvolle Truhe mit Briefen aus der Vergangenheit. Briefe, die Fragen aufwerfen, von denen Mattie nicht einmal wusste, dass sie existieren. Wer war Gunther Schneider – und warum scheinen diese alten Worte ihr eigenes Leben plötzlich in ein völlig neues Licht zu rücken?

Parallel dazu führt uns die Geschichte ins Jahr 1942. Ava Delaney hat alles verloren, was ihr Halt gegeben hat: ihren Mann, ihre Zukunft, ihre Hoffnung. Um nicht an ihrer Trauer zu zerbrechen, nimmt sie eine Arbeit in einem Internierungslager an – ein Ort voller Misstrauen, Angst und Vorurteile. Dort begegnet sie Gunther, einem jungen Medizinstudenten, der allein wegen seiner deutschen Herkunft als Feind gilt. Je näher Ava ihn kennenlernt, desto mehr beginnt sie zu hinterfragen, was sie über richtig und falsch, über Schuld und Zugehörigkeit gelernt hat. Und irgendwann steht sie vor einer Entscheidung, die nicht nur ihr eigenes Leben für immer verändern wird.

Was diesen Roman so besonders macht, ist die Art, wie die beiden Zeitebenen miteinander verwoben sind. Stück für Stück fügen sich die Puzzleteile zusammen, und man spürt beim Lesen dieses leise „Oh…“, wenn Zusammenhänge klar werden. Die Geschichte lebt nicht von großen Effekten, sondern von Emotionen, von Zwischentönen, von unausgesprochenen Gefühlen. Die Figuren sind verletzlich, glaubwürdig und alles andere als perfekt – genau deshalb fühlt man so stark mit ihnen.

„Was wir für wahr gehalten haben“ ist ein Buch über Vorurteile und darüber, wie schnell Menschen in Schubladen gesteckt werden. Über Liebe, die unter schwierigen Umständen wächst. Über Verlust, der ein Leben prägt – und über Vergebung, die manchmal der einzige Weg nach vorne ist. Gleichzeitig geht es um Identität und die Frage, wer wir sind, wenn das Fundament unserer bisherigen Überzeugungen ins Wanken gerät.

Ein ruhiger, ergreifender Roman, der berührt, nachdenklich macht und noch lange im Kopf bleibt. Perfekt für alle, die tiefgehende Geschichten lieben, historische Hintergründe schätzen und Bücher mögen, die nicht nur unterhalten, sondern wirklich etwas erzählen.

  • Herausgeber ‏ : ‎ Francke-Buch
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 1. Juni 2025
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 384 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3963624906
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3963624902
  • Originaltitel ‏ : ‎ All we Thought we Knew
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.5 x 2.8 x 20.3 cm
  • 18 Euro

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