Der historische Kriminalroman Das Fräulein muss sterben entführt die Leserinnen und Leser in das politische und gesellschaftliche Klima der Bonner Republik der frühen 1970er-Jahre. Die Autorinnen Christine Grän und Marianne von Waldenfels verbinden auf gelungene Weise spannende Krimi-Elemente mit einer lebendigen Darstellung der gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen dieser Zeit.
Ein Kriminalfall in bewegten Zeiten
Die Handlung spielt im Jahr 1972, einem Jahr voller Umbrüche und Konflikte. Im Mittelpunkt steht der mysteriöse Tod der niederländischen Journalistin Nelie Hendriks, die nach einer illustren Party in ihrem Bonner Penthouse in den Tod stürzt. Die Gästeliste der Feier liest sich wie ein Spiegel der damaligen Gesellschaft: Spione, Politiker und Frauen mit zweifelhaftem Ruf. Die Frage, ob einer von ihnen etwas mit Nelies Tod zu tun hat, bildet den Kern des Krimis.
Kommissarin Clara Frings, die Hauptfigur des Romans, wird mit den Ermittlungen betraut. Doch Clara muss sich in der von Männern dominierten Welt der Bonner Hauptstadt behaupten. Ihr Weg ist von Fehlern, Rückschlägen und dem zähen Kampf um Anerkennung geprägt. Ihre Ermittlungen laufen vor dem Hintergrund einer politisch aufgeladenen Zeit: Willy Brandt, die Studentenproteste, der Radikalenerlass und die RAF bestimmen die Schlagzeilen.
Ein Gesellschaftsroman, der zum Nachdenken anregt
Der Roman ist mehr als ein Krimi – er ist ein Porträt der frühen 70er-Jahre in Westdeutschland. Themen wie die Gleichberechtigung von Frauen, der Umgang mit den Überbleibseln der NS-Zeit, die Spannungen des Kalten Krieges und der Kampf um Reformen, wie etwa die Diskussion um den umstrittenen §218, ziehen sich durch die Handlung.
Die Figur der Clara Frings verkörpert den gesellschaftlichen Wandel. Sie ist eine Frau, die mehr vom Leben erwartet, als sich den traditionellen Rollenbildern zu fügen. Ihr Kampf um berufliche Anerkennung spiegelt die Realität vieler Frauen dieser Zeit wider. Gleichzeitig zeigt der Roman, wie sehr gesellschaftliche und politische Zwänge das Leben der Menschen beeinflusst haben.
Eine detailreiche Zeitreise
Die Autorinnen verstehen es, die Atmosphäre der 70er-Jahre authentisch und lebendig einzufangen. Ob es um die Seilschaften aus der Nazi-Zeit, die schwelende Bedrohung durch den Kalten Krieg oder die aufkommende Frauenbewegung geht – all diese Aspekte werden geschickt in die Handlung eingebettet. Die politischen Ereignisse werden dabei so erklärt, dass sie auch für Leser:innen, die mit der Zeit nicht vertraut sind, leicht verständlich sind.
Ein besonderes Highlight ist das Kapitel am Ende des Buches, das die historischen Ereignisse der damaligen Zeit beleuchtet. Es bietet eine wertvolle Ergänzung zur fiktiven Handlung und lädt dazu ein, sich noch intensiver mit den Themen des Romans auseinanderzusetzen.
Ein außergewöhnlicher Krimi
Was Das Fräulein muss sterben von anderen Krimis abhebt, ist die gelungene Verbindung von Spannung und Tiefgang. Der Roman kombiniert die Rätsel eines klassischen Krimis mit den Herausforderungen eines Gesellschaftsromans. Die Sprache ist flüssig und unterhaltsam, die Charaktere sind vielschichtig und glaubwürdig gezeichnet. Besonders die Hauptfigur Clara Frings wächst einem im Laufe der Geschichte ans Herz, auch weil sie keine perfekte Heldin ist, sondern eine Frau mit Schwächen und Fehlern.
Ein Buch für alle Generationen
Der Roman spricht Leser:innen jeden Alters an. Für die ältere Generation bietet er eine Reise in die eigene Vergangenheit, die zeigt, dass viele Probleme und Kämpfe von damals auch heute noch relevant sind. Jüngere Leser:innen können viel über die Geschichte der Bundesrepublik lernen und entdecken, wie eng Geschichte und persönliche Schicksale miteinander verbunden sind.
Die Themen des Romans – politische Intrigen, gesellschaftlicher Wandel und die Suche nach Gerechtigkeit – haben auch in der heutigen Zeit nichts an Aktualität verloren. Die Parallelen zu aktuellen Debatten um Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und politische Verantwortung machen das Buch besonders lesenswert.
Fazit
Das Fräulein muss sterben ist ein Krimi, der weit über die üblichen Genregrenzen hinausgeht. Christine Grän und Marianne von Waldenfels haben einen spannenden, intelligenten und unterhaltsamen Roman geschrieben, der das Lebensgefühl der frühen 70er-Jahre einfängt und gleichzeitig zeitlose Themen anspricht.
Mit seiner Mischung aus Krimi und Gesellschaftsroman, seinen lebendigen Charakteren und seiner atmosphärischen Erzählweise ist dieses Buch ein Muss für alle, die sich für spannende Geschichten mit historischem Hintergrund interessieren. Es ist nicht nur ein packender Kriminalfall, sondern auch eine Hommage an eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderungen.
Bewertung: 5/5 Sterne – Ein fesselnder Roman, der nachdenklich macht und noch lange im Gedächtnis bleibt.
- Herausgeber : Droemer TB; 1. Edition (2. Dezember 2024)
- Sprache : Deutsch
- Broschiert : 352 Seiten
- ISBN-10 : 342644688X
- ISBN-13 : 978-3426446881
- Abmessungen : 13.3 x 2.5 x 20.9 cm
- 374 Gramm
- 17,99 Euro