Im späten 16. Jahrhundert warfen der englische Wissenschaftler Robert Hooke und der holländische Tuchhändler Antonie van Leeuwenhoek einen bahnbrechenden Blick durch ihre handgefertigten Mikroskope. Was sie entdeckten, veränderte die Biologie und Medizin für immer: Sie erkannten, dass komplexe lebende Organismen aus winzigen, eigenständigen und selbstregulierenden Einheiten – den Zellen – bestehen. Unsere Organe, unsere Physiologie, unser Wesen – wie Herz, Blut und Gehirn – sind aus diesen kleinen Bausteinen, den Zellen, aufgebaut. Die Zellen ermöglichen all unsere komplexen Körperfunktionen wie Immunabwehr, Fortpflanzung, Empfindungsvermögen, Denken und Erneuerung. Doch auf der anderen Seite gibt es auch die dunkle Seite: Dysfunktionale Zellen können immense Zerstörungskraft haben und einem Organismus seine Lebensfähigkeit rauben.
Dieses äußerst gut geschriebene und informative Buch handelt von Zellen, „Organen und Systemen – Organen, die diskrete Funktionen ausführen (Nieren, Herzen, Leber) und Zellensystemen (Immunzellen, Neuronen), die diese Funktionen ermöglichen“. Es umfasst die Geschichte der Wissenschaft bis hin zu bahnbrechenden Entdeckungen und deren Auswirkungen auf die medizinische Behandlung. Glücklicherweise konzentriert sich die Geschichte hauptsächlich darauf, wie die Entdeckungen gemacht wurden, mit begrenzten, meist interessanten Anekdoten; vielleicht hätte es noch weniger über völlig falsche Ideen geben können. Bei den neueren Entdeckungen versteht es der Autor, genau genug Details einzubeziehen, um zu informieren, ohne zu überfordern. Das Gleiche gilt für das menschliche Immunsystem, vielleicht sogar mit etwas zu vielen Details. Ein Problem des Immunsystems bestand darin, dass mehrere unterschiedliche Kontrollmechanismen für die Aktivierung von T-Zellen entwickelt werden mussten – um Autoimmunerkrankungen zu verhindern, obwohl wir offensichtlich immer noch einige haben.
Im Folgenden sind einige bahnbrechende Entdeckungen aufgeführt, die noch nicht immer vollständig akzeptiert sind. Chemische Neurotransmitter wie Serotonin haben „langsame“ Effekte, die zu tiefgreifenden biochemischen und Stoffwechselveränderungen im Empfängerneuron führen, sowie die allgemein anerkannten schnellen Effekte zur Weiterleitung von Nervensignalen. Da die Wissenschaft immer noch nicht versteht, wie Serotonin und ähnliche Stoffe sich auf Depressionen auswirken oder wie Narkosemittel überhaupt wirken, kann ich eine Fülle von Arbeiten vorhersehen, die sich mit dieser Erkenntnis auseinandersetzen.
Arthrose wird gemeinhin als Resultat von Verschleiß des Knorpels betrachtet, aber das eigentliche Problem liegt wahrscheinlich in einer verminderten Reparaturfähigkeit – „die Zellen, die Knorpel in den Gelenken bilden, nehmen mit zunehmendem Alter dramatisch ab“. Es wird daran gearbeitet, diesem Verfall entgegenzuwirken.
„Fetale Blutzellen tragen daher eine einzigartige Form von Hämoglobin – fetalen Hämoglobin -, das speziell für die Sauerstoffextraktion in der (sauerstoffarmen) fetalen Umgebung entwickelt wurde.“ Es wird daran gearbeitet, dies zur Heilung von Sichelzellanämie zu nutzen, da diese Krankheit anscheinend die fetalen Blutzellen nicht beeinflusst.
Schließlich ist dies kaum eine bahnbrechende Entdeckung, aber Babyaspirin wird vielen Herzerkrankungspatienten verabreicht, da „Aspirin in niedrigen Dosen das Schlüsselenzym blockiert, das diese Verletzungs-erkennenden Chemikalien produziert und
Mukherjee erzählt in seinem Werk von dem enormen Potenzial, das unser vertieftes Verständnis von Zellphysiologie und -pathologie mit sich bringt. Es hat eine Revolution in der Biologie und Medizin ausgelöst, transformative Medikamente hervorgebracht und das Leben von Menschen verändert.
- Herausgeber : Ullstein Hardcover; 1. Edition (30. März 2023)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 672 Seiten
- ISBN-10 : 3550201893
- ISBN-13 : 978-3550201899
- Originaltitel : The Song of the Cell
- Abmessungen : 13.8 x 3.9 x 22 cm