/ Januar 18, 2023/ Romane

Der Schriftsteller Franzobel, dessen richtiger Name Franz Stefan Griebl ist, ist ein sehr fleißiger und vielseitiger Autor. Er schreibt Satiren über sein Heimatland, veröffentlicht Kriminalgeschichten, schreibt Theaterstücke und parodiert erotische Literatur. Trotz seines schrägen und provokanten Humors sieht er sich selbst als Humanist. Er hat viele Auszeichnungen für seine Arbeit erhalten und unterhält ein breites Publikum. Sein neues Buch heißt „Die Eroberung Amerikas“ und ist ein Roman nach wahren Begebenheiten. Die Hauptfigur ist ein spanischer Eroberer, der auf gut Deutsch „Ferdinand Desoto“ genannt wird. Der Autor betont, dass es sich um einen Roman handelt und er manche Dinge erfunden hat, aber er wollte die Geschichte so wahrheitsgetreu wie möglich erzählen.

Schon vor der großen Florida-Reise hatte Desoto viel erreicht. Er war bereits bei der Eroberung Panamas und Nicaraguas dabei, und zusammen mit dem besonders rücksichtslosen Francisco Pizarro führte er im heutigen Peru blutige Schlachten gegen das Volk der Inka. Zwischenzeitlich ließ sich Desoto in Sevilla nieder, heiratete eine ungeliebte Frau aus einer reichen kastilischen Familie mit guten Verbindungen zum spanischen Königshof. Desoto war zu dieser Zeit also ein vermögender und bekannter Mann, doch er hatte wohl Angst vor „Lebensstumpfsinn und Bedeutungslosigkeit“, wie Franzobel es formuliert. Es gab also viele Gründe, die Heimat zu verlassen und ein weiteres Abenteuer zu erleben. Mit jener „Geschichte“ ist eine der größten Expeditionen des 16. Jahrhunderts gemeint: 1538 gab die spanische Krone dem Kriegshelden Desoto den Auftrag, La Florida „zu erobern, zu bevölkern und zu befrieden“. Florida war im damaligen Sprachgebrauch das gesamte Land nördlich von Mexiko.

Ein übermäßiger Ehrgeiz und der Wunsch nach Macht und Größe lassen Zweifel schnell vergessen. Franzobel beschreibt detailliert die Vorbereitungen der Expedition, bei denen Seeleute aus allen Schichten angeheuert werden, von naiven Abenteurern bis hin zu gesuchten Verbrechern und skrupellosen Geschäftemachern. Köche, Soldaten, Priester und Schriftgelehrte werden rekrutiert. Der Autor beschreibt das Ganze als eine Art „frühneuzeitliches Casting mit einer harten Jury“.

Neben der Expedition, die von Gomera nach Kuba und schließlich über Florida in die heutigen Südstaaten der USA führt, erzählt Franzobel auch die Geschichte eines Gerichtsprozesses, der in der Gegenwart spielt. Ein Anwalt aus New York klagt im Namen aller indigenen Völker gegen die Vereinigten Staaten und fordert radikale Wiedergutmachung für historische Verbrechen. Er bezichtigt die USA der illegalen Landnahme und fordert die Rückgabe des gesamten Bundesgebiets, einschließlich Alaska und Hawaii sowie aller beweglichen und unbeweglichen Güter.

Der Roman beschreibt einen Prozess, der von einem Richter als „völlig idiotisch“ bezeichnet wird. Der Autor nutzt jedoch literarische Freiheiten, um den Ausgang des Prozesses unklar erscheinen zu lassen. Der Prozessstrang wirkt jedoch nicht überzeugend.

Der Roman kritisiert auch die Ungerechtigkeit der historischen Eroberungsfeldzüge, die noch heute Auswirkungen haben. Der Autor nutzt jedoch einen dünnen Jura-Klamauk, um diese Thematik darzustellen, was nicht gut funktioniert. Der Erzähler wechselt zwischen verschiedenen Ebenen und ist manchmal etwas zu deutlich in seiner Darstellung.

Es gibt auch abrupte Übergänge zwischen Szenen, die manchmal etwas unbeholfen wirken. Der Autor möchte die Szenen drastisch darstellen und es gibt viele Details, die unangenehm sind, wie zum Beispiel Flatulenzen.

Insgesamt fehlen Nuancen in der Darstellung, was zu einem Erzählproblem führt. Interessante Nebenfiguren werden zu dekorativen Elementen in einem blutroten Schlachtenbild.

  • Herausgeber ‏ : ‎ btb Verlag (14. Dezember 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 544 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3442771927
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3442771929
  • Abmessungen ‏ : ‎ 11.8 x 3.4 x 18.6 cm

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