/ Mai 31, 2022/ Romane

Exemplarisch für zwei Generationen von heute stehen drei Frauenschicksale. Es begann mit einem Knall… Die Mutter Helene – sie hat zweier kleiner Söhne und die 15-jährigen Lola aus einer früheren Affäre, springt während des Abendessens mit der Familie vom Balkon.
„Haben wir kein Salz, sagt Johannes beim Abendessen, sagt es genau so: Haben wir kein Salz, und nicht einmal in Helenes Richtung.“

Nach einem langen Lockdown ist das anscheinend der Satz, der das Fass zum Überlaufen bringt. Es bleibt zurück eine übergroße Lücke. Helenes beste Freundin Sarah – kinderlose Autorin – versucht zu helfen. Klanglos übernimmt sie die Kinderbetreuung, während Johannes, der Vater der Kleinen, weiter zur Arbeit geht, als wäre nichts.

Sie schläft auch bei den Kindern und in ihrem eigenen Haus lebt ihr zehn Jahre jüngerer Lover – als wäre nichts passiert. Sie erfährt keinerlei Unterstützung von ihm – eigentlich will sie ein Kind – aber Leon übersieht es einfach geflissentlich.

„Und das ist also wirklich so: Wenn die Frau sich nicht kümmert, kümmert sich niemand.“
Zunächst engagiert Johannes seine an Long Covid erkrankte alte Mutter, die sich um den Jüngsten kümmern soll, der noch keinen Kitaplatz hat. Er akzeptiert die Opferbereitschaft Sarahs, die sich nicht nur um die Kinder kümmert, sondern auch putzt, wäscht und einkauft.

Zu allem Elend ist da aber auch noch Lola, die sich erst fast zu Tode hungert, ohne dass es jemand merkt – abgesehen von neidischen Mitschülerinnen.

Als ihre beste Freundin Sunny von drei Jungs tätlich angegriffen wurden, beginnen sie sich zu wehren und finden beim Selbstverteidigungstraining heraus, dass alle diese Frauen und Mädchen ungestraft verletzt und sexuell belästigt wurden, bevor sie sich Muskeln antrainieren und auf gängige Schönheitsideale pfeifen.

Und was passiert eigentlich, wenn wir uns wehren?
Ich denke das Werk wird eine Diskussionen anstoßen und wahrscheinlich polarisieren.

Ich denke das passt in heutige Zeiten, in denen wieder patriarchalische Kriegsstrukturen ganze Gesellschaften zerstören, Frauen in Afghanistan unterdrückt und terrorisiert werden.

Viele Frauen erledigen hauptsächlich die Sorgearbeit, haben während der Pandemie ihre Arbeit verloren oder wurden von der Politik und den Vätern während der Lockdowns komplett allein gelassen. Trotzdem ist es kein plattes Lehrwerk in Sachen Feminismus, sondern ein spannender Roman mit glaubwürdigen Figuren, die einem ans Herz wachsen.
Und dann geht es letztendlich um Sisterhood, um die Liebe, die zwischen Frauen so einfach und allumfassend ist.
„Wir erkennen einander, wenn wir uns ähnlich sind“, sagt Sibel leise, hat womöglich Lolas Wunden gespürt oder die Fragen gelesen in ihrem Gesicht, „und das ist, was du verstehen musst. Keiner hier verurteilt dich. Keiner hier lacht dich aus. Wir sind du. Du bist wir. Wir gehören zusammen, unser aller Kraft ist eine einzige Kraft.“
Ein sehr wichtiges Buch das verstörend, aufrüttelnd und transformierend ist. Dieser Roman lässt niemandem unberührt.

von Mareike Fallwickl  (Autor)

  • Herausgeber ‏ : ‎ Rowohlt Buchverlag; 2. Edition (22. März 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 384 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3498002961
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3498002961
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.4 x 3.3 x 21 cm

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